Venedig. Ein skurriles Märchen mit Emma Stone in der Hauptrolle gewinnt den Goldenen Löwen. Weitere Auszeichnungen gehen an zwei sehr politische Filme. Auch der Hollywood-Streik ist bei der Preisverleihung Thema.
Mit dem Film „Poor Things“ hat der griechische Regisseur Giorgos Lanthimos den Goldenen Löwen des Filmfestivals Venedig gewonnen. Das gab die Jury bekannt.
„Poor Things“ ist eine experimentelle Variation der Frankenstein-Geschichte mit der US-Schauspielerin Emma Stone in der Hauptrolle. Weitere Rollen sind mit Willem Dafoe und Mark Ruffalo besetzt - und auch die deutsche Schauspielerin Hanna Schygulla ist kurz zu sehen.
Andere wichtige Preise der Filmfestspiele gingen an die US-Amerikanerin Cailee Spaeny für ihre Rolle in „Priscilla“ (beste Schauspielerin), den US-Amerikaner Peter Sarsgaard für seinen Part in „Memory“ (bester Schauspieler) sowie den japanischen Regisseur Ryusuke Hamaguchi, der für seinen Film „Evil Does Not Exist“ (japanisch: „Aku wa sonzai shinai“) den Großen Preis der Jury erhielt.
Preis für Regisseur Matteo Garrone für Drama
Das Festival zeichnete auch zwei sehr politische Filme aus: Der italienische Regisseur Matteo Garrone gewann für das Drama „Io capitano“ über zwei Migranten aus dem westafrikanischen Senegal den Silbernen Löwen für die beste Regie. Und die polnische Regisseurin Agnieszka Holland erhielt den Spezialpreis der Jury für ihren Film „Zielona Granica“. Das Drama erzählt von Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze.
„Ich glaube, wir waren alle beeindruckt von der Bandbreite der Filme, und wir waren auch beeindruckt von der Bandbreite der Reaktionen“, sagte Jury-Präsident Damien Chazelle nach der Verleihung. „Was ich wirklich aus dieser Erfahrung mitgenommen habe, abgesehen davon, dass ich das Glück hatte, diese Filme zu sehen ... war, wie leidenschaftlich, unterschiedlich und manchmal sogar heftig die Diskussionen und Debatten sein konnten, die durch diese Filme angeregt wurden.“
Schräges Märchen mit herausragenden Schauspielern
Mit „Poor Things“ hat die Jury ein schräges Märchen mit herausragenden Schauspielern und einem faszinierendem Design ausgezeichnet. Stone verkörpert eine Frau, die von dem skurrilen Wissenschaftler Godwin Baxter (Dafoe) auf bizarre Weise wieder zum Leben erweckt wird. Als Schwangere hatte sie sich umgebracht. Baxter findet ihre Leiche, setzt ihr das Gehirn ihres ungeborenen Kindes ein und wiederbelebt sie. Sie wird nun Bella genannt und hat das geistige Alter eines Kindes, entwickelt sich aber stetig weiter.
Das Publikum folgt Bella dabei, wie sie lernt sich zu bewegen und zu sprechen. Schließlich flüchtet sie aus der Enge von Baxters Haus und lernt auf ihren Reisen das Leben kennen. Ihr Umfeld ist von ihrer vorurteilsfreien und sexuell freizügigen Art gleichsam irritiert und fasziniert. Sie wird zu einer vielfachen Männerfantasie, aus der sie immer wieder ausbricht.
„Poor Things“ basiert auf einem Roman von Alasdair Gray und ist visuell einzigartig. Der Film spielt im viktorianischen Zeitalter, hat aber gleichzeitig surrealistische Elemente. Das zeigt sich in fantasievollen Kostümen ebenso wie in den Kulissen. Teils ist die Optik verzerrt, etwa durch extreme Weitwinkel oder eine Fisheye-Linse.
Hollywood-Streik hat Filmfestival beeinträchtigt
Stone kam nicht zur Feier von „Poor Things“ nach Venedig. Denn der Hollywood-Streik hat das Filmfestival beeinträchtigt. Viele Stars blieben fern, weil die gewerkschaftlich organisierten Drehbuchautoren und Schauspieler in den USA streiken. Sie kämpfen für eine bessere Vergütung und Regeln im Umgang mit der künstlichen Intelligenz.
„Ich persönlich bin sehr enttäuscht, dass sie nicht dabei ist, sie ist ein wichtiger Teil des Films“, sagte Lanthimos über Stones Abwesenheit. „Aber natürlich verstehe ich den Grund. Nicht nur, dass sie den Film nicht promoten kann - sie und die anderen Schauspieler haben so viel Zeit und Liebe in diesen Film gesteckt, so dass es einfach schade ist, ihn nicht mit ihnen feiern zu können.“
Auch Sarsgaard sprach in seiner Dankesrede den Streik an. „Ich denke, wir können uns alle darauf einigen, dass ein Schauspieler ein Mensch ist und ein Schriftsteller ein Mensch - oder anscheinend können wir das nicht“, sagte er in Anspielung auf die Gefahren, die Schauspieler und Drehbuchautoren darin sehen, dass künstliche Intelligenz immer mehr ihrer Arbeit übernimmt.
Die wichtigsten Auszeichnungen im Überblick
- Goldener Löwe für den besten Film: „Poor Things“ von Giorgos Lanthimos
- Großer Preis der Jury: Ryusuke Hamaguchi für „Evil Does Not Exist“ (japanisch: „Aku wa sonzai shinai“)
- Silberner Löwe für die beste Regie: Matteo Garrone für „Io capitano“
- Spezialpreis der Jury: „Zielona Granica“ von Agnieszka Holland
- Preis für das beste Drehbuch: Pablo Larraín und Guillermo Calderón für „El Conde“
- Preis für die beste Schauspielerin: Cailee Spaeny für „Priscilla“ von Sofia Coppola
- Preis für den besten Schauspieler: Peter Sarsgaard für „Memory“ von Michel Franco
- Marcello-Mastroianni-Preis für den besten Jungdarsteller: Seydou Sarr in „Io capitano“