Hamburg. Wie gehen Menschen miteinander um? Harburger Kunstverein hat in seiner Ausstellung „It’s Human Nature“ einige Antworten gefunden.
Eine Gruppe Menschen in einer Turnhalle. Sie üben eine Choreografie zu einem Popsong ein, nichts Kunstvolles, ein synchroner Tanz, ein Ausprobieren. Die Schritte sind noch unsicher, die Gruppe steht erst am Beginn der Proben. Aber man hat es hier mit Menschen zu tun, die etwas mit Liebe machen, zärtlich, freundlich, leidenschaftlich.
Edward Thomassons Video „Grace & Harmony“ steht am Ende der Ausstellung „It’s Human Nature?“ im Kunstverein Harburger Bahnhof, und sie bringt den Grundgedanken der Schau auf den Punkt: In Harburg beschäftigt man sich damit, wie Menschen miteinander umgehen.
Ausstellung Hamburg: Fernbahnhof Harburg wird zum Ort der „Menschlichkeit“
„Die Suche nach der Rolle des Menschen in der Welt und dem Sinn seines Tuns sind untrennbar mit der Menschheitsgeschichte verknüpft“, heißt es in der Ausstellungsankündigung. Es geht um „Fragen nach Menschlichkeit und unterschiedliche Vorstellungen davon, was die menschliche Natur auszeichnet“ – klingt theoretisch, löst sich dann in den Ausstellungsräumen aber ziemlich konkret ein.
Fragen nach Menschlichkeit werden beispielsweise in den Zeichnungen, Fotografien und Videos von Moritz Krauth gestellt, der den Begriff der „Familie“ anhand der eigenen Eltern und Geschwister dekonstruiert: Kann man von Familie reden, wenn die Kleinfamilie – Vater, Mutter, Kind – nicht mehr das alleine selig machende Maß darstellt?
Die Hamburgerin Cordula Ditz thematisiert Gewalt gegen Frauen
Bei Cordula Ditz, die in einer aufwendigen Rauminstallation die Gewaltverhältnisse seziert, in denen Frauen gefangen sind. Bei Gerrit Frohne-Brinkmann und Paul Spengemann, deren Video „Die Unzugänglichkeit der griechischen Antike und ihre Folgen“ das Bildungssystem mit unbestimmtem, dumpfem Grusel auflädt.
Der Raum über den Gleisen des Harburger Bahnhofs macht es Kuratorinnen und Kuratoren wie immer schwer, dennoch sind die gezeigten Arbeiten in sich stimmig präsentiert. Nicht zuletzt Ngozi Schommers’ „Random Access“ weist dabei sogar über den eigentlichen Ausstellungsort hinaus: Die Installation aus Bauzaun, Schlafsäcken und Seilen verweist auf das Provisorische und das Unbehaustsein, wie es für einen Fernbahnhof typisch ist.
Transparent auf Jeansstoff gedruckt als Kritik an Textilindustrie
Im Vergleich zu diesem raffinierten Arrangement wirkt Schommers’ zweiter Beitrag „Work Hard“ beinahe unterkomplex: ein Transparent, das die Härte der Berufswelt karikiert, freilich auf Jeansstoff gedruckt ist und so auch als Hinweis auf die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie funktioniert.
- Museum Hamburg: Wird Architektur für oder gegen Menschen geplant?
- Design Ideen: Neue Ausstellung in Hamburg zeigt Projekte für eine bessere Welt
- Museum Hamburg: Erst stylte sie Beckmann, jetzt designt Negassi ihre erste Ausstellung
Mit dem formalistischen „Double Exposure“ von Maxime Chabral und der kleinen Betonarbeit „The Crying Exposure“ von Matheus Rocha Pitta präsentiert „It’s Human Nature?“ auch noch zwei Positionen, die sich gegen eine klare Einordnung sperren. Und schafft so ein Kunsterlebnis, das so inhaltlich vielschichtig wie ästhetisch divers die im Titel aufgeworfenen Fragen umkreist.
„It’s Human Nature?“ bis 19.11., Kunstverein Harburger Bahnhof, im Fernbahnhof über Gleis 3/4 (S Harburg), Hannoversche Straße 85, Mi–So 14.00–18.00, Eintritt frei, kvhbf.de