Das Album „Evenings At The Village Gate“ ist ein Muss für Fans, nicht nur wegen der einzigen bekannten Liveversion von „Africa“.

Im Jazz bleibt John Coltrane auch 56 Jahre nach seinem Tod das Maß aller Dinge. Sobald eine bisher unbekannte Studiosession oder Liveaufnahme auftaucht, ist das ein Ereignis, das weltweit Wellen schlägt. Ganz besonders im Fall von „Evenings At The Village Gate“, einem Mitschnitt aus dem August 1961, von dessen Existenz bisher nicht einmal die Autoren des mehr als 800 Seiten starken Sammelwerks „The John Coltrane Reference“ wussten.

Sensationsfund: John Coltrane trifft auf Eric Dolphy

Die Aufnahmen, so ist jetzt im Booklet nachzulesen, waren gemacht worden, um das neue Soundsystem des Clubs zu testen und dann im Archiv der New York Public Library verschwunden wo sie ein Bob-Dylan-Archivar, der sicher ganz anderes suchte, vor drei Jahren entdeckte.

John Coltrane with Eric Dolphy: „Evenings At The Village Gate“.
John Coltrane with Eric Dolphy: „Evenings At The Village Gate“. © impulse

Coltrane, so erinnert sich sein ehemaliger Bassist Reggie Workman, war damals einmal mehr in einer Phase des Übergangs, probierte neue Wege aus, befand sich in einer konstanten Suchbewegung. Und so ist hier „My Favorite Things“ in einer knapp 16-minütigen, relativ freien Version zu hören, aber auch das vergleichsweise konservative „When Lights Are Low“, eine Komposition von Benny Carter, bei der Eric Dolphy mit seiner Flöte Glanzpunkte setzt. Überhaupt ist es das Zusammenspiel von Coltrane und Dolphy, das dieses Album so besonders macht; das Level an gegenseitiger Inspiration war hoch, aber auch der Widerstand: hochrangige Kritiker beklagten den „Anti Jazz“ der beiden.

Coltrane löste sich mehr und mehr von musikalischen Fesseln

Tatsächlich löste sich Coltrane mehr und mehr von musikalischen Fesseln, setzte zum Beispiel zwei Bassisten (Reggie Workman und Art Davis) ein, um einen Drone-Klang, wie er ihn aus der indischen Klassik kannte, zu erzeugen. Elvin Jones (Schlagzeug) und McCoy Tyner (Piano) waren feste Mitglieder seines Quartetts, erst Mitte der 60er wurden sie durch Rashied Ali und Coltranes Frau Alice ersetzt – eine Hinwendung zum Free Jazz.

Erstaunlich ist die (für die damalige Zeit) exzellente Tonqualität von „Evenings At The Village Gate“, und für Fans ist dieses Album ohnehin ein Muss, enthält es doch die einzige bekannte Liveversion von „Africa“, mit mehr als 22 Minuten Laufzeit keine Sekunde zu lang.

John Coltrane with Eric Dolphy: „Evenings At The Village Gate“ (Impulse/Universal)