Hamburg. NDR hat entschieden: 2023 wird es keine Folge geben, die in Deutschlands zweitgrößter Stadt spielt. Schweiger-Krimis eh nicht geplant.
Das rheinland-pfälzische Ludwigshafen, Schwesterstadt des rechtsrheinischen Mannheim und wie dieses ein Zentrum alternativer urbaner Schönheit, ist nicht unbedingt eine Berühmtheit. Historisch interessierte Zeitgenossen wissen, dass ein Bundeskanzler aus Ludwigshafen stammte. Aber sonst kennt man die BASF-Stadt eigentlich nicht. Es sei denn, man schaut „Tatort“.
Man darf sagen, dass die wackere, seit Jahrzehnten und mehr als 1200 Folgen laufende Krimi-Reihe für die Markenstärkung deutscher Kommunen nicht unwichtig ist. Konstanz, Freiburg, Kiel und Saarbrücken, wann kommen die denn schon mal ins Unterhaltungsfernsehen? Was Hamburg angeht, die auch touristisch immer angesagte Stadt im Norden des Landes, ist der Aspekt der Sichtbarkeit zu vernachlässigen.
Hamburg ist auch jenseits von „Großstadtrevier“ und „Notruf Hafenkante“ im Fernsehprogramm präsent und eine verhältnismäßig häufig genutzte Kulisse. Und dennoch ist nun endlich mal Zeit für eine Verlustanzeige: Was ist bloß aus dem Hamburg-„Tatort“ geworden?
Tatort Hamburg: Von einer langen Karriere kann man derzeit nur träumen
Ludwigshafen mag zwar nicht viel zu bieten haben, hat aber immerhin in Lena Odenthal eine lange etablierte, beliebte Kommissarin. Sie ist die dienstälteste Ermittlerin im ARD-Krimi-Kosmos und seit sage und schreibe 1989 dem Bösen auf der Spur. Auch schon ganz schön lange dabei sind Batic und Leitmayr aus München (seit 1991), die freilich überschätzten Münsteraner Ermittler Thiel und Boerne (seit 2002) sowie Ballauf und Schenk aus Köln (seit 1997). Von so einer langen Karriere, mit regelmäßigen Auftritten zur Primetime, kann man in Hamburg nur träumen.
Zuletzt vermeldete die ARD-Programmdirektion, dass vorerst keine weiteren Folgen mit Til Schweiger und Fahri Yardım geplant sind. Es bleibt also bei bescheidenen sechs bislang; wobei das vielleicht auch nicht so schlecht ist. Der Baller-Tschiller hatte doch recht schnell sein Pulver verschossen.
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So oder so wird in diesem Jahr kein einziger „Tatort“ zu sehen sein, der in Deutschlands zweitgrößter deutschen Stadt spielt. Ein Umstand, den der NDR auf Abendblatt-Anfrage wie folgt erklärte: „Üblicherweise spielt jedes Jahr mindestens ein ,Tatort’ in Hamburg. Weil wir in diesem Jahr das 20. Borowski-Jubiläum feiern, bildet 2023 eine Ausnahme“.
Til Schweiger im „Tatort“: Es wird nach passendem Konzept gesucht
Wer zuletzt über ein vielleicht längst beschlossenes grundsätzliches Ende des Schweiger-„Tatorts“ spekulierte, muss übrigens nichts zwangsweise Recht behalten. Die NDR-Antwort auf die Frage, was denn nun die Gründe für das mittlerweile schon dreijährige Pausieren des Duos Schweiger/Yardım seien, ist dennoch eher dünn: Man habe – augenscheinlich bislang erfolglos – „nach einem passenden Konzept für den neuen Fall gesucht“.
Selbst wenn es irgendwann einen neuen Tschiller-Film geben sollte, fehlt doch im Hamburger „Tatort“-Fall ganz eindeutig die Bindung ans Ganze – grundsätzlich. Wir können uns an Nick Tschiller doch eigentlich schon gar nicht mehr erinnern. Ganz ohne Hamburg ging es in den vergangenen Jahren, Wotan Wilke Möhrings Kommissar Falke und Franziska Weisz’ Ermittlerin Julia Grosz sei Dank, zwar nicht im „Tatort“ ab. Die Bundespolizisten ermitteln viel in Niedersachsen, aber wie in der Realität mitunter auch in Hamburg. Worauf der NDR explizit verweist. Aber Ab-und-zu-Hamburg ist eben nicht Immer-Hamburg.
Wotan Wilke Möhring: Sein Kommissar Falke ermittelt manchmal in Hamburg
Nun, davon abgesehen ist Falke seit mittlerweile zehn Jahren im „Tatort“ zu sehen. Das gibt dem Charakter Tiefe, das schafft Identifikation, und darum geht es ja auch bei den Krimis. So entschieden horizontal wie im famosen Dortmunder „Tatort“ mit dem Kaputt-Cop Faber wird in der ARD leider sonst nicht erzählt, vielleicht sollte man das WDR-Konzept beim NDR künftig kopieren?
Am besten mit einem komplett neuen Ermittler-Team und einem Plan, der über ein wolkiges „,Tatort’-Kommissarinnen und Kommissare werden weiterhin regelmäßig in Hamburg ermitteln“ (O-Ton NDR) hinausgeht. Es gab vor Schweigers Einstieg mit Cenk Batu (dargestellt von Mehmet Kurtulus) bereits einen Kurzarbeiter (sechs Folgen ab 2008) im Hamburg-„Tatort“. Vorher hatte man mehr Zeit, sich auf die Charaktere einzulassen, um dabei Eigenarten an ihnen festzustellen, die man womöglich über Jahre weiter begutachten wollte. Die Kommissare Casstorff und Holicek (Robert Atzorn und Tilo Prückner) ermittelten zwischen 2001 und 2008 in 15 Fällen, Stoever und Brockmöller (Manfred Krug und Charles Brauer) zwischen 1984 und 2001 gemeinsam in 38 Folgen, zuzüglich eines Stoever-Solos von drei Folgen.
Da war der Hamburger „Tatort“ noch stabil.