Hamburg. Das Kulturprogramm zur Euro 2024 umfasst acht Projekte von Hip-Hop bis Oper. Senatoren Brosda und Grote stellen es am Millerntor vor.
Rasenpflege ist auch eine Kunst. Und so war es Zufall, jedoch sinnbildlich, dass am Montagmittag zwei Platzwarte aus dem – neudeutsch – Greenkeeper-Team des FC St. Pauli bei lauten Motorgeräuschen den Rasen mähten und präparierten. Derweil sich im Separée 10, wie die Logen im Millerntor-Stadion nun mal offiziell heißen, hoch oben in der Südtribüne bei geschlossener Tür die Luft langsam zu stauen begann.
Dort hatten einige Frauen und Männer viel zu berichten. Nicht unbedingt Neues zum sportlichen Geschehen rund um den Kiezklub, jedoch einiges, das am Rande bewusst mit König Fußball zu tun hat. Und beim Ausblick auf das Kulturprogramm für die Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 in Deutschland soll auch das Millerntor-Stadion groß rauskommen.
Euro 2024: So viel Kultur steckt in der Fußball-EM in Hamburg
Zumindest, wenn es nach Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard und Oke Göttlich geht, dem hauptamtlichen Präsidenten des FC St. Pauli. In jedem Fall werden in Hamburg rund 140 Frauen und Männer zum „größten Hip-Hop-Battle der Welt“ (Deuflhard) antanzen und gegeneinander antreten, zum sogenannten Juste Debout. Die Veranstaltung gilt als größtes tanzbasiertes internationales Hip-Hop-Szenetreffen. Bisher habe der Battle immer in Paris stattgefunden, erläuterte Amelie Deuflhard. „Jetzt erstmals in Hamburg, und im allerbesten Fall im Millerntor-Stadion“, frohlockte die Intendantin der internationalen Kulturfabrik.
Weil Juste Debout möglichst dicht, heißt etwa eine Woche vor Beginn der Euro 2024, in Hamburg steigen soll, konnte und wollte Göttlich noch keine definitive Zusage für die Hip-Hop-Sause im Stadion geben. Das hänge auch vom Spielplan des FC St. Pauli mit einer eventuellen Relegation 2024 ab, dem Zustand des Rasens und vom Segen der Uefa. Die Europäische Fußball-Union als Veranstalter sieht das Millerntor zwar nicht als Spielstätte vor, aber als regelmäßige Trainingsstätte während des Turniers.
Hip-Hop-Battle Juste Debout statt in Paris erstmals im Millerntor-Stadion?
Sowohl beim Sport als auch der Kultur geht es um Horizonterweiterung und die integrativen Kräfte, um viele unterschiedliche Menschen zusammenzubringen“, sagte Göttlich. Dass Juste Debout auf Kampnagel stattfindet, schließt Deutflhard praktisch aus, für den Hip-Hop-Battle brauche man eine entsprechend große Fläche, zudem rechnet sie mit mindestens 7000 Besuchswilligen auf den Tribünen. Für eine notwendige Abdeckung des Rasens und Überdachung der Tanzfläche (bei Regen) würden noch Sponsoren gesucht.
Unter dem Motto „Football moves people“ hatte Kampnagel schon vor dem Kulturprogramm für die Euro 2024 einen Programmschwerpunkt zum Thema Fußball entwickelt. Drei Bühnen-Produktionen, die sich inhaltlich mit dem Thema Migration im Kontext der Fußballwelt auseinandersetzen („La Fracture“, „One Song“ und“Josse Jnr.“) stießen beim noch laufenden Internationalen Sommerfestival bereits auf große und positive Resonanz. Für Jugendliche und mit Jugendlichen wird im Laufe der Saison die Performance „Klapsquad“ entwickelt, sie basiert auf dem (einstudierten) Torjubel und der neuen urbanen Bewegungsform Klapping und soll im kommenden Juni uraufgeführt werden.
Acht von bundesweit 58 Projekten kommen aus Hamburg
Wer beim Kulturprogramm namhafte Stars oder die Beteiligung weiterer großer Hamburger Theater erwartet hatte, sah sich bei der Vorstellung getäuscht. Unter den von der Stiftung Fußball & Kultur Euro 2024 (Gesamtbudget: 13,2 Millionen Euro) insgesamt ausgewählten 58 Projekten kommen immerhin acht aus der Hansestadt. „Wir spielen erste Liga in Hamburg“, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) trotz der beständigen Zweitklassigkeit der hiesigen Fußballclubs St. Pauli und HSV.
„Sport und Kultur verbinden Menschen, schaffen Emotionen und Anlässe zum Austausch. Sie stärken den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, sagte Brosda. Außer Hip-Hop und Tanz reicht das in Hamburg bis zur Fußball-Oper. So entwickelt das Opernloft in Altona, in dem Inszenierungen bekanntlich wie ein Fußballspiel nur 90 Minuten (ohne Nachspielzeit) dauern, für das nächste Frühjahr ein Pasticcio, mithin ein Werk aus bereits existierender Musik verschiedener Komponisten mit Arien und auch Fan-Gesängen, wie Opernloft-Dramaturgin Jil Henne auf Nachfrage erläuterte.
Fundus Theater hat eigens eine „Fußballmenschaft“ gegründet
Das Fundus Theater schickt ein besonderes Team, eine „Fußballmenschaft“, an die Hamburger Schulen: Die Performerinnen des neu gegründeten FC Fundus wollen mit den Schülerinnen und Schülern über Migration, Fluchterfahrungen und körperliche Barrieren sprechen. Und die Altonale/Stamp bringt im Mai nächsten Jahres 24 Kurz-Inszenierungen in den Stadtteil. Eine Nachtparade zieht sich vom Hamburger Hafen bis zum Museumshafen Övelgönne, jede der 24 bespielten Kugeln steht für ein Teilnehmerland. Ebenso ungewöhnlich verspricht eine Ausstellung zu werden, die weibliche Fankultur bei europäischen Nationalteams zeigt.
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Insgesamt fünf Spiele der Euro 2024 finden im Volksparkstadion statt – welche, weiß die Stadt Hamburg erst nach der Auslosung am 2. Dezember in der Elbphilharmonie. Ins Kulturprogramm eingebunden und sich dafür starkgemacht hat sich der HSV bisher kaum. „Der HSV ist mit der sportlichen Ausrichtung der Spiele schon stark gefordert“, zeigte Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) Verständnis. Das Millerntor sei als Standort für Kultur hingegen gewachsen.
Das gilt etwa für die „Millerntor Gallery: Die von der Trinkwasser-Initiative Viva con Agua bisher schon elfmal in den Katakomben organisierte, weltweit erste temporäre Kunstausstellung in einem Fußballstadion ist mit dem Projekt „Eleven Walls“ ebenfalls Teil des Kulturprogramms. Insgesamt werden elf Wandbilder künstlerisch gestaltet, um die Europameisterschaft 2024 und das Thema Wasser aufzugreifen.
Programm und Termine unter www.kulturstadt.hamburg/uefaeuro2024