Hamburg. Beim Internationalen Sommerfestival ist derzeit die Performance „La fracture“ zu sehen, ein kraftvoller Akt der Selbstermächtigung.

Yasmine Yahiatene malt mit weißer Farbe ein großes Fußballfeld auf den Boden der kleinen P1-Halle auf Kampnagel. Neben das eine Tor schreibt sie „France“ und neben das andere „Algérie“. Dann wirft sie die Videokamera an, neben der sie sorgsam beschriftete Kassetten aufreiht.

Das legendäre WM-Finale Frankreich gegen Brasilien 1998 – es geht 3:0 aus – flimmert über die rückwärtige Leinwand. Mittendrin: Yahiatenes Held Zinédine Zidane. Sie trägt sein Trikot mit der Nummer zehn.

Sommerfestival Hamburg: Traumabewältigung mithilfe von Zinédine Zidane

In ihrer ersten Theaterperformance „La Fracture“ („Der Bruch“), die derzeit beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel zu sehen ist, erzählt die junge Künstlerin Zidanes Geschichte, und bald erschließt sich, was diese mit ihrer eigenen Vita zu tun hat.

Zidanes Vater kam aus einem kleinen algerischen Dorf nach Frankreich. Aus einem Dorf ganz in der Nähe brach auch Yahiatenes Vater Richtung Frankreich auf.

Der nächste Film zeigt körnig-verwackelte Bilder von Familienfeiern in Frankreich. Szenen eines tanzenden, trinkenden, scheinbar fröhlichen Vaters. Und mittendrin Yahiatene als kleines Mädchen. Ihr Vater ist ihr Held, ganz wie der Fußball-Star für so viele Menschen. Doch die Harmonie ist Fassade.

Kampnagel Hamburg: Auch Bilder eines weinenden Zinédine Zidane werden gezeigt

Bald schreit Yahiatene auf der Bühne ihre Wut heraus über das Tabu, die Scham, das Schweigen. Die Traurigkeit und Zerrissenheit des Vaters, mündend in Alkoholismus, wird ihr mit den Jahren schmerzlich bewusst.

Auf der Bühne malt sie in den Mittelkreis des Spielfeldes sein ernstes Gesicht, eine Videoanimation legt einen Strom der Tränen darüber. Auch Bilder eines nach einem Spiel weinenden Zinédine Zidane flimmern über die Leinwand.

In Yahiatenes eigener Wut wird das Private politisch. Das Schweigen umfasst viele, die ihre Heimat verließen, nachdem sie enorme Gewalt erlebt hatten. Bei Yahiatenes – inzwischen gestorbenem – Vater waren es prügelnde französische Gendarmen, die sein Haus in Algerien niederbrannten.

„La fracture“ – Künstler verbinden Doku-Fiction mit Theater

Doch das Verdrängen schafft keinen inneren Frieden. Auf kluge Weise verbindet die Künstlerin Doku-Fiction mit Theater zu einem sehr berührenden Abend, der autobiografisch angelegt ist, aber eine universelle Geschichte von Familie, Flucht, Ankommen und Identitätssuche erzählt.

Er ist zugleich ein kraftvoller Akt der Selbstermächtigung. Denn Yasmine Yahiatene wehrt sich gegen die Weitergabe des algerischen Traumas an ihre eigene Generation.

„La Fracture“ 17.–19.8., jeweils 18.30, Kampnagel, Karten: kampnagel.de