Starke neue Jazzalben: Das Tingvall Trio entführt in die Welt der Vögel, das Joe Lovano Trio Tapestry geht auf eine spirituelle Suche.
Welche Begeisterung das Tingvall Trio auszulösen vermag, zeigte sich einmal mehr beim Elbjazz Festival: Die Schiffbauhalle bei Blohm+Voss musste zeitweilig wegen Überfüllung geschlossen werden, und hinterher wollte die Signierstunde kein Ende finden, so viele Fans hatten sich angestellt. Ein Erfolg, der kein Zufall ist, sondern auf den musikalischen Fähigkeiten des Trios basiert, zu hören auch auf dem aktuellen Album „Birds“ (Skip Records).
Neues Album: Was haben Specht, Kleiber und Kolibri mit Jazz zu tun?
Es sei den Vögeln gewidmet, den „Musikern der Natur“, so Martin Tingvall. „Sie umgeben uns tagtäglich mit ihrer Musik und können unglaublich inspirierend sein.“ Als Menschen würden wir jedoch durch so viele andere Geräusche abgelenkt, dass wir ihren Gesang kaum mehr wahrnehmen. Das stimmt, aber die insgesamt zwölf Nummern funktionieren natürlich auch ohne Erklärungen und Songtitel wie „Woodpecker“ (Specht), „Nuthatch“ (Kleiber) oder „Humming Bird“ (Kolibri). Pianist Martin Tinvall, der alle Stücke komponiert hat, ist einfach ein Meister der betörenden Melodien, und seine Mitstreiter Omar Rodriguez Calvo (Bass) und Jürgen Spiegel (Schlagzeug) sind kongeniale Partner mit ganz eigenem Ton.
Manchmal ist das so wohlig-entspannend wie ein warmes Wannenbad („Africa“), dann optimistisch groovend („Birds ...“) und manchmal nachdenklich-getragen („The Day After“). Immer wieder gibt es diesen Das-kenn-ich-doch-Moment, der sich dann einstellt, wenn eine Melodie ganz ohne Umwege ins Ohr (und ins Herz) geht. Einfach schön.
Neues Album: Leise Töne und filigrane Arrangements
Erschließt sich das Album des Tingvall Trios ganz unmittelbar, so ist beim Joe Lovano Trio Tapestry etwas mehr Einsatz gefordert, dominieren doch auf „Our Daily Bread“ eher leise Töne und filigrane Arrangements, die ein aufmerksames Zuhören verlangen. Etwa beim Zusammenspiel von Pianistin Marilyn Crispell und Schlagzeuger Carmen Castaldi im Opener „All Twelve“. Ein behutsames Miteinander, in das Saxofonist Lovano irgendwann geradezu tastend hineingleitet.
Das ist kammermusikalischer Jazz in hoher Vollendung und voller poetischer Momente. Nie geht es darum, hervorzustechen, sondern das Gleichgewicht der Kräfte in den Mittelpunkt zu stellen. „Ich bringe zwar die Kompositionen mit ins Aufnahmestudio“, sagt Lovano über den Schaffensprozess, „aber jeder von uns hat das gleiche kreative Gewicht.“
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Herausragend: Die Nummer „Grace Notes“ mit ihrer spirituellen Aufladung, die an die Sinnsuche eines John Coltrane erinnert. Und „The Power Of Three“ dokumentiert genau das: Das Ganze ist mehr als nur die Summe seiner Teile. Produziert hat Manfred Eicher, der Gründer von ECM Records – perfekte Klangqualität ist also garantiert. Und die bei ECM üblichen fünf Sekunden Stille vor dem ersten Ton sorgen für einen zusätzlichen, sehr passenden Moment der Sammlung.