Hamburg. Die Theatermacherin Carolina Bianchi kommt mit einem radikalen Stück zum Sommerfestival. Es geht um sexuelle Gewalt gegen Frauen.

Die aktuelle Performance der jungen, in Amsterdam lebenden brasilianischen Theatermacherin Carolina Bianchi und ihres Ensembles Cara De Cavalo, „The Bride And The Goodnight Cinderella“, gastiert derzeit auf allen wichtigen europäischen Festivals.

Es geht um ein leider hochaktuelles Thema: sexuelle Gewalt gegen Frauen. Vom 18. bis 20. August ist Bianchi damit beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel zu erleben

Theater Hamburg: Warum Carolina Bianchi auf Kampnagel K.-o.-Droge nimmt

Hamburger Abendblatt: Warum ist das Thema Gewalt gegen Frauen so wichtig für Sie?

Carolina Bianchi: Ich habe mir oft gesagt, ich wünschte, ich könnte ein Stück über Blumen kreieren. Aber das ist keine Option. Das Thema Gewalt gegen Frauen ist immer da. In meinem Leben und im Leben all jener, die ich kenne. Ich bin aber nicht daran interessiert, nur autobiografisch über mich zu sprechen. Es geht darum, eine künstlerische Sprache zu finden, um damit zu berühren.

Sie nehmen auf der Bühne ja selbst eine K.-o.-Pille, die in Brasilien „Goodnight Cinderella“ heißt und nicht nur dort als Vergewaltigungsdroge genutzt wird. Warum haben Sie sich zu diesem radikalen Schritt entschlossen?

Es war alternativlos. Während der Recherche, spürte ich, dass es über mich hinausgeht. Es geht um ein dunkles, verborgenes Kapitel, das ich öffnen muss. Wenn man Opfer von drogeninduzierter Gewalt ist, dann gibt es ein Problem des Gedächtnisses und der Erinnerung. Ich denke, dass der Akt hier nun etwas anderes in Gang setzt.

Kampnagel: Bei Perfomance ist immer ein Arzt anwesend

Was macht dieser Akt körperlich und emotional mit Ihnen?

Jede Nacht ist sehr unterschiedlich. Das hängt davon ab, wie der Tag gelaufen ist. Manchmal schlafe ich die ganze Zeit. Manchmal wache ich auf. Ich nehme eine Kombination aus Medikamenten ein, die man auf Rezept in der Apotheke kaufen kann. Wenn einem das in der Realität passiert, kann man meist nicht nachweisen, welche Droge man bekommen hat – es sind mehrere im Umlauf. Wir haben immer einen Arzt dabei.

Warum haben Sie das Thema als Trilogie angelegt?

Weil ich fühlte, dass das Stück Zeit braucht. Die Einbindung der Texte von Dante, die Idee einer Reise ist wichtig. Dieses Kapitel handelt davon, wie man mithilfe einer Performance dafür sorgen kann, dass die Geschichten erzählbar werden. Ich mache mich selbst verletzlich, indem ich darüber spreche. Im zweiten Kapitel geht es um das Narrativ. Und im dritten Teil eher darum, das Verhalten von Männergruppen zu untersuchen.

Der Abend hat mehrere Teile. Die Geschichte, der bei einem Performance-Trip in der Türkei vergewaltigten und ermordeten italienischen Künstlerin Pippa Bacca steht im Zentrum...

Die Geschichte der Pippa Bacca kommt in einer fast theoretischen Weise auf die Bühne. Ich teile mit dem Publikum alle Informationen, die gut dokumentiert sind. Aber ich beziehe mich selbst mit ein. Es geht nicht nur um ihren Tod, ich spreche von ihrem Leben.

Theater Hamburg: Show ist aktuell zu allen großen Festivals eingeladen

Die Show ist aktuell zu allen großen Festivals eingeladen. Wie kommt man plötzlich auf die Landkarte der internationalen Performancekunst?

Wir machen seit zehn Jahren Kunst in São Paulo. Während der Pandemie habe ich meinen Master in Amsterdam abgeschlossen. Es ist wohl eine Kombination aus allem.

Wie sind die Reaktionen des Publikums?

Ich denke, es ist ein Stück, das Zeit braucht, um in den Menschen zu arbeiten.

Carolina Bianchi Y Cara De Cavalo: „The Cadela Força Trilogy: Chapter I – The Bride And The Goodnight Cinderella“ 18./19.8., 20 Uhr, 20.8., 18 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße. 20-24, Karten unter T. 27094949; www.kampnagel.de