Hamburg. Neue Spielzeit im Fährhaus bietet zwei Uraufführungen. TV-Star Gerit Kling spielt und inszeniert erstmals an der Komödie Winterhude.
Von einer „Stürmischen Überfahrt“ bis zu „Himmlischen Zeiten“ ist es eine lange Reise. Die Komödie Winterhuder Fährhaus hat sie gemeistert. Von der im September 1988 gar nicht so berauschenden allerersten Premiere unter Mitbegründer Rolf Mares bis zur jüngst gefeierten frischen musikalisch-himmlischen Revue mit vier Frauen in den besten und allerbesten Jahren war es ein weiter Weg.
Erstaunlich für ein Privattheater, das bei der Grundsteinlegung des Fährhaus-Neubaus 1985 noch gar nicht als solches geplant gewesen war. Auch daran erinnerten Theaterleiterin Britta Duah und Intendant Martin Woelffer, als sie am Mittwoch unter dem Motto „Lernen Sie die Komödie von einer ganz anderen Seite kennen!“ zu einer exklusiven Führung hinter die Winterhuder Kulissen baten. Anlass: die Präsentation der neuen Spielzeit 2023/24.
Komödie Winterhude: TV-Stars Anna Thalbach und Gerit Kling kommen
Stars, die partout mit dem Auto kommen wollen, können direkt aus der öffentlichen Tiefgarage in die kuschelige Garderobe gelangen, war etwa beim Backstage-Rundgang zu erfahren. Wie es Gerit Kling und Anna Thalbach handhaben, ist noch offen. Die beiden Fernseh- und Filmstars sind indes zwei Schauspielerinnen, von denen sich die Verantwortlichen des theatralen Familienbetriebs einiges erhoffen.
Gerit Kling, bekannt dank Filmen wie „Kaiserschmarrn“ und ihrer Serienrolle in „Notruf Hafenkante“ (ZDF), spielt vom 15. September an nicht nur erstmals an der Komödie Winterhude, sie inszeniert das Stück „Falsche Schlange“ mit Mackie Heilmann und Astrid Rashed auch selbst. „Ich bin froh, dass Gerit Kling ihr Regie-Debüt bei uns gibt“, sagte Woellfer. „Das Stück ist böse, aber richtig gut“, so der Intendant. Und erinnerte daran, dass das Werk des englischen Erfolgsdramatikers Alan Ayckbourn um zwei ungleiche Schwestern und eine Erbe-Erpresserin 2005 im längst geschlossenen kleinen Theater Kontraste der Komödie Winterhude deutschsprachige Erstaufführung gefeiert hatte, damals mit Saskia Fischer (heute Star im „Großstadtrevier“/ARD).
Anna Thalbach in „Marie-Antoinette“ – komödiantisch-aktuell aufgefrischt
Was zeigt, dass auch das Große Haus mit seinen 586 Plätzen niveauvolles urbanes Boulevard-Theater bieten will. Etwa wenn Anna Thalbach von März bis Mitte April 2024 in „Marie-Antoinette – oder Kuchen für alle!“ die Titelrolle spielt Die Berliner Film- und Fernsehfrau („Tatort: Kindstod“, „Kein Sex ist auch keine Lösung“, „Vier zauberhafte Schwestern“) könnte in der Maske zwar auch die alte, 2023 TÜV-geprüfte Trockenhaube nutzen, wird sich in der Königinnen-Rolle aber wohl opulenter Perücken bedienen.
Peter Jordan und Leonhard Koppelmann, die im Januar Brechts „Die Dreigroschenoper“ im St. Pauli Theater als gefragten Dauerbrenner neu inszeniert haben und zuvor den „Sttruwwelpeter“ am Thalia Theater als „Shockheaded Peter“ musikalisch aufgefrischt hatten, haben „Marie-Antoinette“ und die Pariser Palast-Revolte bereits in Berlin komödiantisch aktualisiert. „Das Stück hat echte Volksbühnen-Momente“, meint Daniel Krauss.
Komödie Winterhude: Uraufführung von „Es ist nur eine Phase, Hase“
Dem Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur – er ist bereits seit 2019 Mitarbeiter der Künstlerischen Leitung der Komödie am Kurfürstendamm – haben Britta Duah und Woelffer in Winterhude die Premiere von „Mein Name ist Erling“ (17. November) anvertraut, eine zur Weihnachtszeit spielende etwas andere Liebeskomödie der schwedischen Autorin Christina Herrström. „Familie, Liebe und die daraus entstehende Diskrepanz“, sieht Regisseur Krauss als Oberthema für die Stücke der neuen Komödien-Saison.
Und die wartet 2024 noch mit zwei Uraufführungen auf. Ute Willing inszeniert für den 19. Januar mit fünf noch zu besetzenden Schauspielerinnen und Schauspielern „Es ist nur eine Phase, Hase“, ein Stück des österreichischen Theater-Vielschreibers Stefan Vögel, frei nach dem erfolgreichen Trostbuch für Alterspubertierende um die 50 von Jochen Gutsch und Maxim Leo. Florian Gellenberger hatte den Stoff bereits 2021 fürs Kino verfilmt.
Stück „Frost“ vereint einen Erbstreit mit dem auf Bühnen neuen Thema Kryonik
Mit „Frost“ (19. April) von Richard Kropf vereint die zweite Uraufführung 2023/24 einen Erbstreit mit dem auf deutschen Bühnen bisher nicht behandelte Thema Kryonik. Der Begriff bezeichnet das „Einfrieren“ und Aufbewahren von Menschen kurz nach ihrem Tod – in diesem Stück den eines 75 Jahren alten Vaters, der zu gegebener Zeit wieder aufgetaut werden möchte. Dominik Paetzholdt inszeniert es mit Top-Komödiant Oliver Dupont und weiteren Darstellern.
Zum neuartigem Thema, so berichteten Krauss und Woelffer, kam die Komödie Winterhude übrigens dank eines 2020 mithilfe einer Stiftung in Berlin ausgelobten Autoren-Wettbewerbs. Mehr als 50 Konzepte seien eingegangen, und für 2024/25 sei ein weiteres Stück aus dieser neuartigen Richtung denkbar. Eine Quelle für deutsche Theater, um deutschsprachige Autorinnen und Autoren zu animieren, die in Hamburg auch das Ohnsorg mit seinem Wettbewerb „Große Freiheit Schreiben“ initiiert hatte.
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Mit „Weiße Turnschuhe“ vom produktiven Theatermacher René Heinersdorff von Juni bis Mitte Juli 2024 und „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst“ (Premiere: 17.7.) vom britischen Pop-Literaten Nick Hornby stehen zum Ende der neuen Saison weitere moderne Stücke auf dem Plan.
Komödie Winterhude: Jochen Busse spielt Rolle, die Herbert Herrmann nicht wollte
„Weiße Turnschuhe“, eine Story um einen topfitten 75-Jährigen, hatte Heinersdorff ursprünglich für Boulevard-Beau Herbert Herrmann geschrieben, doch der wollte die Rolle nicht. Diese spielt nun Jochen Busse (ebenfalls 82), manchen auch als „Yoga-Jochen“ bekannt und in Winterhude für die Rolle prädestiniert.
Das garantiert im nächsten Frühsommer viele Kartenverkäufe. Für Oktober bis Dezember verzeichnete Britta Duah mit 96 bis 98 Prozent schon wieder Zahlen wie zuletzt 2019 vor Corona. Obwohl die Auslastung dieses Frühjahr eher bei 80 Prozent lag, wähnt sich die Komödie Winterhude bei immer noch fast 3200 Abonnenten 2023 auf einem guten Weg. Auch ein Förderkreis soll neu mit Leben erfüllt werden. „Wir sind in gesellschaftlich schwierigen Zeiten, wir bewegen uns aber in unserem Segment, um überhaupt eine Chance zu haben“, sagte Intendant Woelffer.
Spielplan Komödie Winterhuder Fährhaus: www.komoedie-hamburg.de