Hamburg. Auswirkungen von Corona, der Ukraine-Krieg und die Folgen – Hamburgs private Bühnen versuchen den Krisen auf ihre Art zu trotzen.
Viele Theatertüren schließen sich an diesem Wochenende. An den meisten der mehr als 30 Hamburger Privattheater (ohne Musical- und Kindertheater) herrscht dann Sommerpause. Manch Verantwortliche werden sich sagen: „Endlich!“ Andere wollen der Wärme trotzen und spielen traditionsgemäß im Juli und August durch.
Doch seit Ende Juni die zu Anfang des Jahres von der Stadt Hamburg als einzigem Bundesland aufgelegte Wirtschaftlichkeitshilfe in Höhe von neun Millionen Euro für private Kulturveranstalter ausgelaufen ist, um die Spätfolgen der Covid-19-Pandemie abzufedern, müssen auch die privat geführten hanseatischen Bühnen vermehrt sehen, wo sie bleiben und in welchem Rahmen sie weiterarbeiten. Insbesondere jene, die keine institutionelle Förderung der Kulturbehörde erhalten.
Theater Hamburg: Corona, Ukraine-Krieg, teils exorbitant gestiegene Energiekosten
Wie gefährdet sind die Privattheater also in Zeiten multipler Krisen? Die Folgen von fast drei Jahren Corona, die des Ukraine-Kriegs mit teils exorbitant gestiegenen Energiekosten, der erhöhten Inflation und der sich allgemein eintrübenden wirtschaftlichen Lage lassen in diesem Sommer kaum einen Theatermacher kalt.
„Wie für die privaten Haushalte ist die Inflation auch für ein privates, nicht subventioniertes Theater wie die Komödie Winterhuder Fährhaus stark spürbar“, sagt Britta Duah. Erhöhte Betriebskosten belasten das Budget des Theaters, so die Leiterin, aber auch die sinkende Kaufkraft des Publikums.
Schmidt-Bühnen: „Die Teuerung eine Herausforderung“
„Auch für uns ist die Teuerung eine Herausforderung“, sagt Hannes Vater, neben Tessa Aust und Corny Littmann einer der drei Geschäftsführer der Schmidts Tivoli GmbH. „Wir haben unsere Gehälter ordentlich angepasst, die Einkaufspreise sind höher und unsere Mieten auch. Wir haben also Kostensteigerungen überall. Das habe man auch „durch Preisanpassungen auffangen können“.
Dank „mutiger Spielplanung und Beliebtheit unserer Shows“, so Vater, hätten Schmidt Theater und Tivoli, die wie die Komödie Winterhude im Sommer durchspielen, fast jene Platzauslastung wie vor Corona; 70 Prozent mit der „Heißen Ecke“ im Tivoli im Juni, „das ist völlig in Ordnung“, meint Hannes Vater. Der Geschäftsführer sieht die Lage für sein Unternehmen als „herausfordernd, aber nicht bedrohlich“.
Theaterchef: „Irgendwo muss man einsparen, wenn sich das Budget nicht erhöht.“
Für Thomas Collien, Besitzer des St. Pauli Theaters und Betreiber des Hansa-Theatersaals, heißt es, „langfristig noch schärfer zu kalkulieren und dass man sich bestimmte, vor allem größere Produktionen nicht mehr leisten kann“. Der Theaterchef: „Irgendwo muss man einsparen, wenn sich das Budget nicht erhöht.“ Collien beziffert die Kosten für die Spielzeit insgesamt um bis zu 15 Prozent höher als vor Corona 2019/20.
Derzeit hätten die gestiegenen Energie- und Stromkosten auf den Spielbetrieb keine Auswirkungen, da man noch laufende Verträge mit Stromanbietern und für Fernwärme habe. „Diese enden Ende 2023, dann kann es problematisch werden“, ist sich Collien bewusst.
Wie sehr sich der Spielbetrieb derzeit noch lohnt? Mit den Sommergastspielen („Elvis – das Musical“ und das Beatles-Musical „All you need is Love“ ab August) im St. Pauli Theater zeigt sich Collien bei einer Auslastung von etwa 75 Prozent „sehr zufrieden“, im Hansa-Theatersaal peilt er beim „Varieté de Buena Vista“ bis Anfang September eine Steigerung von derzeit 60 Prozent an. Die Mehrkosten für die Unterbringung der kubanischen Musiker und Artisten sowie Tänzer aus Kolumbien liegen mit etwa zehn Prozent „noch im Rahmen unserer Kalkulation“.
Komödie Winterhuder Fährhaus bietet auch in den Sommermonaten Theater an
Für die Komödie Winterhude sagt Britta Duah: „Der Spielbetrieb im Sommer lohnt sich, wenn ein Theaterstück großen Zuspruch durch das Publikum erfährt.“ Das zeichne sich aber immer erst kurz vorher ab. Ob in Winterhude bald „Himmlische Zeiten“ anbrechen, so der Titel der nächsten Premiere am 28. Juli, bleibt offen.
Das Ernst Deutsch Theater, als Hamburgs größtes privates Sprechtheater (744 Plätze) institutionell seit Langem mit deutlich mehr als einer Million Euro pro Spielzeit unterstützt, schließt nach den fast ausverkauften Gastspielen des Schleswig-Holstein Musik Festival (mit Familie Flöz und der Band Släpstick) am Sonntag für fünf Wochen.
„Die allgemeine wirtschaftliche Teuerung trifft uns auf der Ausgabenseite ganz direkt bei den Materialkosten, Energiekosten und mehr und hat natürlich auch Auswirkungen auf die Honorare und Gagen, die aufgerufen werden“, bilanziert Intendantin Isabella Vértes-Schütter zum Saisonabschluss. „Wir hoffen sehr auf die Möglichkeit, unsere Saal- und Bühnenbeleuchtung vollständig auf LED-Technik umstellen zu können, um Kosten und Energie zu sparen“, blickt sie voraus.
Das Imperial Theater muss die Kartenpreise anheben
Nicht immer können die Ticketpreise wie am Ernst Deutsch Theater und am St. Pauli Theater bewusst stabil gehalten werden. Das Imperial Theater, mit 270 Plätzen zwar die größte Krimibühne Deutschlands, aber in der vielfältigen Theaterstadt Hamburg ein eher kleines Haus ohne jegliche Förderung, wird die Kartenpreise zur Premiere „Die blaue Hand“ (17.8.) um etwa zehn Prozent erhöhen.
Der kaufmännische Leiter Florian Lienkamp begründet dies: „Die allumfänglichen Teuerungen bei Lieferanten, Dienstleistern und Energieanbietern haben uns gezwungen, unsere ohnehin knapp kalkulierten Eintrittspreise anzuheben.“ Einen Schritt, den das Imperial zuletzt vor zehn Jahren vollzog, als eine neue Theaterbestuhlung angeschafft wurde. „Bei Planung zu Bühnen- und Kostümbild für kommende Produktionen wird es wohl unumgänglich sein, vieles zu recyceln und weniger neu herzustellen“, lautet Lienkamps Zukunftsszenario.
- Theater Hamburg: Was die Kammerspiele für die nächste Saison planen
- Saisonvorschau 2023/24: Das Schauspielhaus nimmt sich ein Beispiel an Netflix
- Ernst Deutsch Theater: Neue Spielzeit 2023/24 mit neuen und alten Stars
Weil das Krimitheater meist nur ein oder zwei Stücke pro Spielzeit herausbringt, treffen das Haus von Intendant (sowie Kostümbildner) Frank Thannhäuser Teuerungen bei den Stücken nicht so häufig wie andere Theater. Zudem baut sein kaufmännischer Leiter Lienkamp auf den „Kulturfonds Energie des Bundes“.
Auf den verweist auch Hamburgs Kulturbehörden-Sprecher Enno Isermann: „Dort bietet der Bund eine zusätzliche gezielte Unterstützung zur Bewältigung der hohen Energiekosten im Kulturbereich. Hier bestehen nach den Rückmeldungen, die wir bekommen, derzeit auch die drängenderen Bedarfe.“ Der Kulturfonds Energie mit bis zu einer Milliarde Euro, von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) Ende Januar dieses Jahres aufgelegt, soll Belastungen abfedern, denen Kultureinrichtungen und Kulturveranstalter trotz Steuererleichterungen und Energiekosteneffekten ausgesetzt sind. Der Förderzeitraum des Kulturfonds, umgesetzt als Bund-Länder-Kooperation, geht bis zum 30. April 2024 (mit Ende der Gas-, Wärme- und Strompreisbremse).
Theater Hamburg kann eigentlich nur von Halbjahr zu Halbjahr planen
Bis dahin müssen die Privattheater Sommer, Herbst und Winter überstehen und ihr Publikum noch mehr als schon in diesem Frühjahr zurückgewinnen. Christiane Schindler, Geschäftsführerin und Künstlerische Betriebsdirektion des St. Pauli Theaters, drückt es so aus: „Eigentlich können wir nur von einem halben Jahr bis zum nächsten planen.“ Zumindest, was die Kosten betrifft.