Hamburg. Bei der 11. Millerntor Gallery mit Kunst, Kultur und Musik ist Indien Fokusland. Bis zu 20.000 Menschen zum Benefiz-Festival erwartet.
Indien, mit mehr als 1,4 Milliarden Menschen bald das bevölkerungsreichste Land der Welt, ist für vieles bekannt, aber nicht zuallererst für Street-Art. Anpu Varkey ist Inderin – und Street-Art-Künstlerin. „That’s my wall.“ Das sei ihre Wand, sagt sie freundlich, aber bestimmt.
Jene Wand steht unter der Haupttribüne des Millerntor-Stadions – und die Heimstätte des FC St. Pauli von diesem Donnerstag bis zum Sonntag, 16. Juli, wieder ganz im Zeichen der Kunst. Zum elften Mal seit 2011 gibt es die Millerntor Gallery. Die weltweit erste temporäre Ausstellung in einem Fußballstadion ist längst zu einem Festival für Kunst, Kultur und Musik expandiert.
Mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt und unterschiedlichen Genres legen diesmal hier Hand an; dazu kommen noch 70 Musik- und Kultur-Acts.
Millerntor Gallery: Indische Street-Art im Stadion des FC St. Pauli
In den Katakomben wird noch fleißig gemalt und gebaut, es gibt einiges zu sehen. Anpu Varkey hat ihr Bild an der weißen Wand bereits fertiggestellt, gemalt überwiegend mit Acryl- und Mischfarben, erzählt sie. In voller Breite zeigt es drei Ansichten einer Frau, deren Kleid umherwirbelt.
Kurz zuvor sei eine alte Dame, wohl mehr als 80 Jahre alt, als Teilnehmerin einer Freiwilligen-Veranstaltung oben im Ballsaal zufällig vorbeigekommen und habe ihr gesagt, das Bild sehe so schön sommerlich aus, erwähnt Anpu Varkey lächelnd. Sie nennt es „Twirl“ (zu Deutsch: Wirbeln), die Bildansichten erzeugen sichtbar Wellen.
Tatsächlich hat sich die Künstlerin aus der indischen Zwölf-Millionen-Metropole Bangalore vom diesjährigen Gallery-Motto „Making waves – the power of water“ inspirieren lassen. Viva con Agua Arts und Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. haben es mit dem für manche immer noch „magischen FC“ aus der Taufe gehoben. Ziel ist wie so oft auch die Präsentation internationaler Nachwuchskünstler. „Wir machen gut eine Woche Festival, haben aber ein Jahr Ausstellung“, sagt Festivaldirektorin Agnes Fritz.
Fünf Künstlerinnen aus Indien wurden eingeladen, zwei bekamen kein Visum
Rund 1700 Quadratmeter Wand- und Deckenfläche auf und unter der Haupttribüne sowie auf der Promenade der Südtribüne werden alljährlich neu bemalt. Anpu Varkey ist diesmal mit Unterstützung der Hamburger Kulturbehörde am Start. Sie war schon zur fünften Auflage der Millerntor Gallery vor Ort, und Indien ist dieses Jahr „Fokusland“ des Festivals.
Das zeigt sich insbesondere im Bereich Kunst. Fünf Künstlerinnen aus Indien habe man eingeladen, zwei hätten leider kein Visum erhalten, bedauert Agnes Fritz. Anpu Varkeys Kollegin Aashti kommt aus dem Bereich Grafik und Architektur und macht ebenfalls Street-Art. Bhuri Bai ist ein Tribal Artist aus Madhya Pradesh, einem der Projektregionen in Indien von Viva con Agua.
Millerntor Gallery: Gibt es im November auch ein Street-Art-Festival in Delhi?
An die gemeinnützige Hamburger Trinkwasser-Initiative fließt wie üblich ein Großteil der Erlöse der Millerntor Gallery, zu der bis 20.000 Menschen erwartet werden. Diesmal rückt besonders die Verbindung von Viva con Agua nach Indien in den Blick; dort unterstützt Viva con Agua seit mehr als 15 Jahren Wasser- und Bildungsprojekte. Aparna Lall, VcA-Projektkoordinatorin in Indien, baut im Stadion deshalb einen eigenen Stand auf.
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Auch sie weiß, dass Street-Art in Indien noch um künstlerische Anerkennung kämpfen muss. Ebenso Anpu Varkey: „In den Metropolen dient die Kunst meist dazu, das Stadtbild zu verschönern“, sagt sie. „Dort hat keiner etwas dagegen, wenn wir die Wände bemalen“, so die Künstlerin. Inspiriert zu Street-Art wurde sie übrigens von 2008 bis 2010 bei ihrem ersten Atelier-Aufhalt in Bremen an der dortigen HfK.
Denkbar jedoch, dass Street-Art bald auch in Indien offiziell mehr Aufmerksamkeit erfährt: Für November ist ein Festival in Delhi angedacht, mithilfe des Goethe-Instituts. Anpu Varkey und Viva con Agua wären mit dabei.
Millerntor Gallery 13.-16.7., Do 18.00-23.00, Fr 16.00-23.00, Sa 12.00-23.00, So 12.00-19.10, Millerntor-Stadion (U St. Pauli/U Feldstraße), Harald-Stender-Platz, Tageskarten 15,- bis 19,- (Erw.), Vier-Tages-Ticket ab 45; www.millerntorgallery.org