Hamburg. In Hamburgs sozialstem Hotel kann jetzt reserviert werden. Die Standards sind hoch – aber nicht die Preise. Dabei sind die Kosten gestiegen.

Im Treppenhaus ist es an diesem heißen Nachmittag angenehm kühl. Und unangenehm kahl. Aber das beginnt sich gerade zu ändern. In einem Stockwerk werden Plakate an der Wand befestigt. Im nächsten legen zwei Schulklassen gerade letzte Hand an ihre Kunstwerke, die dort bald ausgestellt werden sollen. „Und hier werden die allerersten Pinselstriche Farbe an die Wand gebracht“, sagt Benjamin Adrion und begrüßt die Künstlerin herzlich.

Wir sind inzwischen in der zehnten Etage eines Rohbaus angelangt, der schon bald die Villa Viva sein wird: ein neues Gasthaus im Hamburger Münzviertel zwischen Hauptbahnhof und Deichtorhallen, in dem alles ein wenig anders sein soll – ökologischer, sozialer, kreativer.

Villa Viva – Hamburgs sozialstes Hotel bietet Übernachtungen ab 19,10 Euro

Noch braucht es in diesem Grau in Grau Fantasie, sich Hamburgs vielleicht innovativstes Hotel vorzustellen. Aber an Fantasie hat es dem früheren St.-Pauli-Profi Adrion (42) von Viva con Agua und seinem Mitstreiter Jens Sroka (47) vom Hotelbetreiber Heimathafen nie gefehlt. Und jetzt läuft der Countdown: Ab sofort kann auf der neuen Website reserviert werden, am 16. November soll Eröffnung sein.

138 Zimmer stehen zur Auswahl. Oder einer von zwölf Schlafplätzen auf dem „Camping Ground“ im vierten Obergeschoss: Hier gibt es eine abschließbare Kabine bereits ab 19,10 Euro die Nacht – der Preis spielt auf das Gründungsdatum des FC St. Pauli an, dessen Millerntor Gallery ebenfalls in das Gebäude am Schultzweg im Stadtteil Hammerbrook einziehen soll.

„Uns ist wichtig, dass die Villa Viva für alle da ist“, sagt Adrion. Das neun Quadratmeter große „Tiny“-Zimmer kostet ab 69 Euro, mit Blick auf den Hafen zehn Euro mehr. Es folgen die Varianten „Small“, „Medium“, „Large“ und „Fancy“ zu Preisen ab 89 bis 189 Euro. Aber die „Villa Kunterbunt“, wie Sroka das Haus nennt, kann auch edel. Eine Übernachtung in der „Suite“ kostet ab 239 Euro, in der „Suite Deluxe“ mindestens 269 Euro, worüber sich schon TV-Satiriker Jan Böhmermann im „ZDF Magazin Royale“ hergemacht hat.

Villa Viva: Jan Delays Sofa fiel bei der Nachhaltigkeitsprüfung durch

Adrion hat mit diesen Preisen kein Problem, schließlich dienen sie einem guten Zweck: „Wir wollen unsere Wasserprojekte nicht nur mit Spenden finanzieren, sondern auch mit Social Business.“ Gut 50 Prozent der Erlöse der Villa Viva sollen einmal an gemeinnützige Organisationen gehen, die sich für sauberes Trinkwasser in der Welt einsetzen.

Gestaltet wurden die beiden exklusiven Apartments im elften Obergeschoss von Moderatorin Barbara Schöneberger und Musiker Jan Delay. Völlig freie Hand hatten die beiden allerdings nicht: So fiel das Sofa, das Delay ausgesucht hatte, bei der Nachhaltigkeitsprüfung durch. Stattdessen wird jetzt ein Second-Hand-Sofa aufgestellt.

Fernseher und Klimaanlage gibt es in der Villa Viva nicht

Kurze Transportwege, faire Produktion, geringer Energieverbrauch: Nach diesen Kriterien habe man Baumaterialien und Einrichtung ausgewählt. Die Wärme kommt zum Teil von einer Solarthermieanlage auf dem Dach, das wie ein Teil der Fassade begrünt ist. Auf Fernseher und Klimaanlagen in den Zimmern wird ganz verzichtet.

Auch den Whirlpool, der ursprünglich im Außenbereich vor der öffentlich zugänglichen „Roofdrop“-Bar im zwölften Obergeschoss geplant war, wird es wohl nicht geben – eine Sauna plus Dusche müssen vorerst reichen, immerhin.

Denn ja, natürlich ist die Villa Viva in erster Linie ein Hotel, auch wenn sie sich lieber Gasthaus nennt. „Aber wir wollen mehr sein als nur Gastgeber“, sagt Adrion: „Ein Ort der Begegnung.“

Villa Viva soll Teil der Stadtentwicklung Hamburgs sein

Gelegenheit dazu gibt es reichlich: auf den beiden anmietbaren Büroflächen, die künftig auch vom Verein und der Stiftung Viva con Agua genutzt werden; in den fünf Eventräumen für Konferenzen und Tagungen; und in dem Restaurant Viva Cantina mit Außer-Haus-Verkauf. Neben veganen und vegetarischen Produkten soll hier auch Fleisch von einem Öko-Bauernhof in Schleswig-Holstein angeboten werden, an dem Heimathafen beteiligt ist.

Adrion und Sroka sehen ihr Projekt nicht nur als Rädchen im Tourismusbetrieb, sondern als Beitrag zur Stadtentwicklung. Mitten in einem Viertel, in dem Spekulationsobjekte aus dem Boden schießen und Mini-Apartments zu horrenden Preisen vermietet werden, soll die Villa Viva auch ein Wahrzeichen gegen profitorientiertes Investment sein.

Das Eigenkapital stammt von der Villa Viva Shareholder Gang, zu der sich Prominente wie Jan Delay, TV-Koch Tim Mälzer, die Gebrüder Braun vom Miniatur-Wunderland, Musiker Bela B und Ex-Fußballer Kevin Kuranyi zusammengeschlossen haben. Sie alle haben sich verpflichtet, ihren 33-prozentigen Anteil an der Eigentümergesellschaft für 18 Jahre zu halten – und das Haus so dem Spekulationsmarkt zu entziehen.

Kosten für Bau der Villa Viva deutlich gestiegen

Ihr ursprünglich veranschlagtes Investment von 5,5 Millionen Euro musste die Shareholder Gang allerdings aufstocken. Denn wie so viele Bauprojekte wird auch die Villa Viva deutlich teurer als vor bald sieben Jahren geplant: 36 Millionen Euro werden es am Ende wohl sein, zum Großteil über ein Darlehen der Umweltbank finanziert.

Die gestiegenen Bau- und Energiekosten sind das eine. Hinzu kam, dass der Bauprüfung das Gebäudes zu hoch war. „Allein diese eineinhalb Meter haben uns drei Millionen Euro gekostet, weil wir alles neu planen mussten“, sagt Sroka. Aber, das ist Adrion wichtig: Auch wenn Viva con Agua zu zwei Dritteln Eigentümer ist, sei kein einziger Cent an Spenden in das Projekt geflossen.

Am Dienstag (20. Juni) war „Dichtfest“: Das Dach ist drauf auf der Villa Viva. Zur Feier spielte (Ingo) Pohlmann live. Der Musiker war auch schon in der ersten Villa Viva zu Gast, die vor zwei Jahren in Kapstadt entstand. Adrion hat die vergangenen drei Jahre in Südafrika gelebt, jetzt kehrt er nach Hamburg zurück. Er sagt: „Mein Eindruck ist, dass in Europa Miteinander mehr denn je gebrauchen kann.“ Dazu solle sein Haus einen Beitrag leisten.

Das ist ein bescheidenes Ziel. Und ein ehrgeiziges zugleich.