Hamburg. Zum Abschluss der Privattheatertage wurden die Monica-Bleibtreu-Preise vergeben. Besucherzahl zog nach mauem Start erheblich an.

Wer einen Fächer dabeihat, ist klar im Vorteil. Es ist heiß im Saal der Hamburger Kammerspiele bei der Abschlussgala der Privattheatertage (PTT), bei der die Monica-Bleibtreu-Preise in vier Kategorien vergeben werden. „Willkommen in tropical Hamburg“, begrüßt NDR-Moderatorin Julia Westlake die Gäste und sagt den musikalischen Gast des Abends an, der dem Publikum „einheizen“ soll – was angesichts der Temperaturen kaum nötig ist.

Gustav Peter Wöhler und seine Band verzichten auf Uptempo-Songs und beginnen ihre sechs kurzen Auftritte mit Jackson Brownes „Running On Empty“ und Alan Parsons „Eye In The Sky“, zwei Mitwipp-Songs. Wöhler, populärer Schauspieler und Sänger, verbindet eine besondere Beziehung mit Monica Bleibtreu, denn er hat verschiedene Male mit ihr auf der Bühne gestanden, unter anderem in dem Zwei-Personen-Stück „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“.

Privattheatertage: Bühnenbild muss für Altona angesägt werden

In den vergangenen knapp zwei Wochen sind elf von einer Reise-Jury ausgewählte Theatergruppen nach Hamburg gereist, um sich hier im Wettbewerb um die nicht dotierten Bleibtreu-Preise zu präsentieren. Das hiesige Ernst Deutsch Theater hatte nur den kürzesten Anfahrtsweg, allerdings gab es ein paar Probleme, das Bühnenbild von der großen Bühne an der Mundsburg an die Verhältnisse im kleineren Altonaer Theater anzupassen.

„Hinten war es einen halben Meter zu lang und seitlich auch“, erzählt PTT-Initiator Axel Schneider. Da musste kurzfristig mit der Säge einiges passend gemacht werden. Problemchen gehören zu so einem aufwendigen Festival hinzu, aber wichtiger sind die Qualität und das Publikumsinteresse. Immerhin schafften die Privattheatertage eine Auslastung von 75 Prozent.

Bleibtreu-Preis: Dagmar Berghoff adelt die Schauspieler

Als erster Laudator darf der Regisseur Willi Welp den Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie Komödie überreichen. Er ist Teil der sogenannten Hamburg-Jurys, die über die Preisvergabe entscheiden. „Wir hatten hitzige Diskussionen“, berichtet er, die Qualität der zu begutachtenden Stücke sei enorm hoch gewesen. Weitere Laudatoren bestätigen dies. „Was gibt es für viele tolle Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland“, lobt beispielsweise die frühere „Tagesschau“-Sprecherin Dagmar Berghoff, die in der Hamburg-Jury für Zeitgenössisches Drama saß.

Das kann auch Welp bestätigen, der die Komödien-Plakette an die bremer shakespeare company für das in einem Pub spielende Stück „Der seltsame Fall der Prudencia Hart“ verleiht. Ausstatterin Rike Schimitschek zeigt sich besonders beeindruckt vom Galionsfigurensaal des Altonaer Museums, wo die Truppe aus Bremen spielen durfte.

Während Berghoffs Rede ertönt ein lautes „Juhu“

Als Dagmar Berghoff von ihrer Jury-Diskussion berichtet und es deutlich wird, dass der Preis für das Zeitgenössische Drama nach Saarbrücken gehen wird, tönt von hinten im Parkett schon ein lautes „Juhu“ durch den Saal. Regisseurin Stephanie Rolser ist überglücklich, dass sie mit „Boy In A White Room“ gewonnen hat.

Ihr Überzwerg Theater am Kästnerplatz fokussiert sich vor allem auf Kinder- und Jugendtheater. In dem Drama, das auf dem gleichnamigen Roman von Karls Olsberg basiert, geht es um einen Teenager, dessen Körper nicht mehr existiert, dessen Verstand aber noch funktioniert. Mithilfe eines KI-Sprachcomputers stellt er sich die Frage „Bin ich noch ein Mensch?“

Gern wären die drei Schauspieler und Schauspielerinnen zum Abschluss bei der Gala dabei gewesen, aber, so erzählt Regisseurin Rolser, „sie spielen heute Abend schon wieder“.

Schauspieler Stephan Benson hält eine beeindruckende Laudatio

Eine beeindruckende Laudatio hält Schauspieler Stephan Benson für die Kategorie Moderner Klassiker. Georg Büchners „Woyzeck“ vom Theater Lindenhof in Melchingen lobt er als vielschichtig, radikal und wagemutig. Büchners Dramen-Fragment wird von nur drei Schauspielern auf die Bühne gebracht. Sie teilen sich alle Rollen, jeder ist mal Woyzeck; gespielt wird vor drei Pappwänden. „So muss Theater sein“, sagt Benson.

Die Auszeichnung ist umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass der Lindenhof ein kleines Dorftheater in einem schwäbischen Ort mit nur 900 Einwohnern ist und gegen ein Schwergewicht wie Didi Hallervorden antreten musste, der mit „Biedermann und die Brandstifter“ im Altonaer Theater gastierte.

Auch der Publikumspreis bringt eine Überraschung. „Die Goldfische“, eine inklusive Boulevard-Komödie von der Comödie Dresden, haben die PTT-Zuschauer als Favoriten aus dem Theater-Dutzend gewählt. Axel Schneider selbst überreicht die Plakette.

Hamburger Privattheatertage bangen noch um die Zukunft

Das Weiterleben der Privattheatertage ist indes noch nicht gesichert. „Die Zukunft steht in den Sternen. Wir müssen bis November warten, bis in Berlin eine Entscheidung über Bundesmittel fällt“, so Schneider.

Seinen letzten Auftritt des Abends widmet Gustav Peter Wöhler seiner 2009 gestorbenen Freundin Monica Bleibtreu mit Billy Joels Song „She’s Always A Woman“. Und am Ende dieser gelungenen, knapp zweistündigen Gala lassen Schneider, Westlake und Wöhler Rosen auf die Zuschauer regnen. Die Fächer werden zusammengeklappt, es darf gefeiert werden.