Hamburg. Bremer Shakespeare Company führt „Der seltsame Fall der Prudencia Hart“ in absurdem Raum auf – und das Wetter spielt mit.

In Teilen Großbritanniens wird „Pub Theatre“ gespielt. Mit dem deutschen Begriff „Wirtshaustheater“ lässt sich das nur unzureichend übersetzen, weil es auf dem Kontinent nicht die typisch britische Pub-Kultur in ihrer Mischung aus Derbheit, Ironie, Intellektualität und hartem Alkohol gibt.

David Greigs 2011 uraufgeführtes Stück „The Strange Undoing Of Prudencia Hart“ ist solch ein „Pub Theatre“, und weil der Text zudem mit schottischem Slang durchsetzt und außerdem in Reimen verfasst ist, galt es lange als unübersetzbar. Die Bremer Shakespeare Company hat es dennoch versucht – und ist mit „Der seltsame Fall der Prudencia Hart“ zu den Hamburger Privattheatertagen eingeladen.

Theater Hamburg: Galionsfigurensaal des Altonaer Museums als absurder Raum

Wobei im Bremer Theater am Leibnitzplatz zumindest eine Kneipenanmutung erzeugt wird, das geht in Hamburg nicht. Weswegen die Aufführung von vornherein in einen absurden Raum versetzt wird: in den Galionsfigurensaal des Altonaer Museums. Immerhin konsequent. Und weil vor der Tür das Sturmtief Polly tobt, hat man auch gleich die zum Stück passende Unwetterstimmung, insofern: alles gut.

Im Zentrum des Stücks steht die Literaturwissenschaftlerin Prudencia (Sofie Alice Miller), Spezialistin für „Grenzballaden“ – auch das ein Fachbegriff, es geht um Liedgut, das in der Grenzregion zwischen England und Schottland komponiert wurde. Prudencia fährt zu einer Tagung in der Kleinstadt Kelso, wo ihr Auto erst im Schneesturm stecken bleibt, und sie darauf in die Fänge des Teufels (Simon Elias) gerät, der hier, nahe der Grenze, zur Wintersonnwende Seelen sammelt. Ein großer Blödsinn also.

Das Bremer Theater spielt in Hamburg neben Galionsfiguren im Altonaer Museum.
Das Bremer Theater spielt in Hamburg neben Galionsfiguren im Altonaer Museum. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Privattheatertage: Sturmtief vor der Tür, Schneesturm auf der Bühne

… der in der Regie von Patricia Benecke zum großen Spaß wird. Die weiß nämlich, dass sie gegen den Charme des „Pub Theatre“ nur verlieren kann, also fährt sie den Karren mit Schmackes an die Wand und schaut, was sich mit den Überbleibseln anfangen lässt.

Die Reimform der Dialoge etwa ist wichtig (am Ende rettet die Literaturwissenschaft die junge Frau!), aber wenn sich „stattdessen“ auf „lesen“ reimen muss, dann können auch die Darsteller nicht anders, als die Augen verdrehen. Oder die Actionszenen mit mehrfach verwandelten Körpern und Folterqualen werden als Budenzauber ausgestellt. Und im Zweifel wird zwischendurch ein Folksong angestimmt, auch wenn der manchmal gehörig schräg daherkommt.

Theater Hamburg: Schauspieler trinken Bier in der Pause

„Der seltsame Fall der Prudencia Hart“ ist also der seltene Fall einer Komödie, die ganz große Fragen verhandelt, sich dabei allerdings selbst nicht allzu ernst nimmt. Immer wieder wuseln die Schauspieler durchs Publikum, trinken Bier in der Pause, sprechen einzelne Zuschauer direkt an – das ist nicht wirklich improvisiert, aber es lässt dem Zufall Raum.

Wie ein guter Folksong, der ebenfalls Schleifen dreht, der mal ganz konzentriert ist und dann wieder abschweifen kann. Dass der Abend am Ende ein paar Szenen zu lang ist, fällt dabei kaum ins Gewicht: Auch ein Song hat manchmal ein, zwei Strophen zu viel, das beeinträchtigt aber das Konzert nicht.

Die Privattheatertage laufen noch bis Sonntag, 9. Juli, auch für die von Julia Westlake moderierte Monica-Bleibtreu-Preisverleihung in den Kammerspielen (9.7., 19 Uhr) gibt es noch Karten zu 23 Euro. Programm und Tickets: www.privattheatertage.de