Hamburg. Das Torhaus Wellingsbüttel wird für mindestens ein Jahr schließen. Doch es gibt eine Lösung für das so beliebte Kulturprogramm.

Die Bilder sind schon von den Wänden genommen, aber sonst deutet im Torhaus Wellingsbüttel noch nichts auf die gravierenden Veränderungen hin, die unmittelbar bevorstehen. Im Veranstaltungssaal spielen sich Pianistin Anna Vinnitskaya und vier ihrer Studierenden auf dem bereitgestellten Flügel ein, während in der kleinen Küche schon die Aufbackbrezeln liegen und an diesem warmen Sommerabend in einem Nebenraum die eiskalte Fruchtbowle auf Abnehmer wartet.

Mittendrin: Julia Barthe, seit zwei Jahren Vorsitzende des Kulturkreises Torhaus. Der ist seit Jahrzehnten laut Selbstbeschreibung „der Treffpunkt für Literaturbegeisterte, Kunst- und Musikliebhaber, Cineasten und alle, die Künstler hautnah erleben wollen“.

Das Torhaus Wellingsbüttel steht vor großen Veränderungen

Die 57-Jährige ist tief im Stadtteil verwurzelt, blickt auf eine 30-jährige Karriere als Sopranistin zurück und hat während dieser Zeit Oratorien in allen Hauptkirchen Hamburgs gesungen. Auch im Torhaus ist sie immer mal wieder mit literarisch-musikalischen Programmen zu erleben, doch momentan steht für sie ein anderes Thema im Vordergrund: Das über die Grenzen Wellingsbüttels bekannte und beliebte Torhaus muss schließen. Für mindestens ein Jahr wegen umfangreicher Sanierungs- und Umbauarbeiten. Brandschutz, Barrierefreiheit, Energieeffizienz: Es gibt viel zu tun. Und die Sprinkenhof GmbH, der das Gebäude gehört, hat nun die notwendigen Arbeiten auf den Weg gebracht.

Der Konzertabend mit Anna Vinnitskaya und dem von ihr an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater betreuten Nachwuchs ist einer der letzten am angestammten Ort. Nach der Sommerpause wird das Programm dann etwa 500 Meter weiter im Schulungshaus von Hamburg Wasser fortgesetzt. Anders als das 1757 erbaute Torhaus ein modernes Gebäude (im Jahr 2000 eröffnet), aber ebenfalls malerisch im Alstertal gelegen und nur zehn Fußminuten von der S-Bahn-Station Hoheneichen entfernt.

Anna Vinnitskaya
Anna Vinnitskaya © Marco Borggreve | Marco Borggreve

Torhaus: Leiterin Julia Barthe vertraut auf die Treue des Publikums

Julia Barthe ist zuversichtlich, dass das Publikum dem Torhaus trotz dieser Veränderung treu bleibt, und verweist darauf, dass die Saalkapazität von gut 100 Plätzen unverändert sein wird. Ob Kammermusikabend, Märchenvormittag, Filmvorführung oder Kurse für Opern- und Klassikfans – das Angebot ist breit, und einen Gute-Laune-Garanten gibt es auch im Herbstprogramm: Schauspieler und Moderator Mark Lyndon, der stets amüsant das deutsch-englische Verhältnis auf die Schippe nimmt. All das kommt seit Jahren bestens an.

Und wo sie schon bei den Besucherinnen und Besuchern der Veranstaltungen ist, gerät Julia Barthe auch gleich ins Schwärmen: Ein bestens informiertes und engagiertes Publikum sei das, das längst nicht mehr nur aus der direkten Nachbarschaft komme.

„Wir haben regelmäßig Gäste aus Harburg, Jork oder Ellerbek.“ Wenn eine Autorenlesung anstehe, etwa mit Literaturhauschef Rainer Moritz, habe das Gros der Anwesenden das jeweilige Buch längst gelesen („Die stellen dann sehr kluge Fragen“).

Der Klaviernachwuchs präsentiert sich auf erstaunlichem Niveau

Auch das Publikum beim Konzert von Anna Vinnitskaya und Studierenden ist ein Traum für jeden Veranstalter: hochkonzentriert, unbekannteren Stücken gegenüber aufgeschlossen und hörbar begeisterungsfähig. Das weiß auch die Weltklassepianistin, die vor wenigen Wochen erst ihr umjubeltes Solo-Debüt im Großen Saal der Elbphilharmonie gab. Weshalb sie nicht einen „Gassenhauer“ von Chopin oder Schumann für diesen Abend ausgewählt hat, sondern Jörg Widmanns Suite „Zirkustänze“ (2012), für die 39-Jährige das erste Mal, dass sie dieses Stück voller überraschender Momente im Konzert spielt.

„Ich habe ihr gesagt, das machen wir, das Publikum ist dafür reif“, erzählt Julia Barthe. Und so ist es dann auch. Großer Jubel. Ebenso für Daria Podushko, Maximilian Müller, Spartak Margaryan und Yi Teng Huang, die allesamt von Anna Vinnitskaya unterrichtet werden und sich hier auf einem erstaunlichen musikalischen Niveau präsentieren.

„Das war ja sensationell!“, sagt eine strahlende Besucherin, nachdem der Schlussapplaus verklungen ist. Dass sie dem Torhaus auch im Ausweichquartier die Treue hält, ist für sie keine Frage. Natürlich wird sie wiederkommen. Spätestens zum nächsten Klavierabend mit Hochschulstudierenden und Anna Vinnitskaya am 11. November.

Infos zum Torhaus-Kulturprogramm:kulturkreis-torhaus.de