Hamburg. Zur neuen Spielzeit bekommt das Altonaer Theater erstmals einen Oberspielleiter. Was Georg Münzel und Chef Axel Schneider planen.
Die Hälfte seines Lebens leitet Axel Schneider inzwischen schon das Altonaer Theater. Bevor es ins 29. Jahr – als Intendant – geht, wartete der Theatermacher bei der Präsentation des Spielplans für 2023/24 mit einer überraschenden Neuigkeit auf: Erstmals bekommt das Haus an der Museumstraße einen Oberspielleiter.
Jedoch saß mit Georg Münzel ein bekannter Mann neben dem Chef. Münzel ist dem Altonaer Theater und den ebenfalls von Schneider geführten Hamburger Kammerspielen seit Jahren verbunden. Noch bis zum 24. Juni ist Münzel in mehr als zehn Rollen in der Bühnenadaption des schwarzhumorigen Romans „Achtsam morden“ zu erleben, und erst im April hatte er in Altona Dostojewskis „Der Spieler“ gekonnt in Szene gesetzt.
Altonaer Theater: Intendant Axel Schneider arbeitet mit Georg Münzel
„Ich bin ja schon lange am Haus“, sagte Münzel. „Für mich ist es ein schöner Moment in meiner Biografie, vom Schauspieler zum Regisseur nun in eine Art Leitungsfunktion zu kommen“, so der 54-Jährige. Nach seinem Schauspielstudium am Hamburgischen Schauspielstudio hatte der gebürtige Bochumer 1994 sein erstes Festengagement am Theater Dortmund, anschließend spielte er am Theater Heilbronn und am Staatstheater Nürnberg. In Hamburg hat sich Münzel spätestens mit seiner Dramatisierung von Benedict Wells’ „Fast genial“ am Altonaer Theater einen Namen gemacht – dafür erhielt er 2015 den Rolf-Mares-Preis in der Kategorie „Herausragende Inszenierung“.
Der Regie Feedback geben, beratend zur Seite stehen und auch Einfluss auf die Spielplan-Entwicklung nehmen: Bei und mit Schneider hatte er das zuletzt schon bei „Die Bücherinsel“ und „Achtsam morden“ gemacht – der Intendant hatte beide Stücke als Regisseur im Mai innerhalb von nur acht Tagen herausgebracht. „Ich habe gemerkt, dass mir das hilft, jemanden auf Augenhöhe zu haben“, sagte Schneider. Bereits im Frühjahr 2019 hatte er den früheren Rostocker Intendanten Sewan Latchinian als Künstlerischen Leiter an die Kammerspiele geholt.
Altonaer Theater zeigt „Serge“ und noch mal „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“
Während Schneider sich in Altona und dem damit eng verzahnten Harburger Theater verstärkt um die Geschäftsführung kümmern will und in Altona vorerst kein Stück inszenieren wird, führt der neue Oberspielleiter zum Ende der Saison 23/24 bei „Serge“ Regie. Überraschend hat sich das Altonaer Theater die Rechte an dem jüngsten Roman (2022) der französischen Bestsellerautorin Yasmina Reza gesichert. Für Münzel ist die Familiengeschichte um einen „grumpy old man“, an dem sich alle abarbeiten, „eine große Herausforderung, auf die ich mich sehr freue“.
Zu den sechs weiteren Premieren zählten Schneider und Chefdramaturgin Anja Del Caro bei der Programmvorstellung auch „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“, mit denen das Altonaer Theater am 3. September in die neue Saison startet. Das Schauspiel mit viel Musik über die Anfänge der „Fab Four“ und die Liebe von Stuart Sutcliffe zur Hamburger Fotografin Astrid Kirchherr lief vor acht Jahren schon einmal in Altona. In diesem Spätsommer aber soll es eine Neubesetzung und Neuinszenierung geben, wenn auch in der bewährten Regie Franz-Joseph Diekens.
Auch Moritz Rinkes Romandebüt und der Bestseller „Der Vorleser“ sind zu sehen
Mit der für den 30. September geplanten Uraufführung von „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“ nach dem Roman von Moritz Rinke scheint dem Altonaer Theater (Motto: „Wir spielen Bücher“) ein weiterer Coup gelungen zu sein. Der Autor selbst und Regisseur Mathias Schönsee sorgen für die Bühnenfassung dieser im Künstlerleben angesiedelten Tragikomödie. Für den Dezember und passend zu Vicco von Bülows 100. Geburtstag hat Schneider dann „Loriots dramatische Werke“ (Regie: Hans Schernthaner) vorgesehen – ein Stück, das noch zu Corona-Zeiten fertiggeprobt wurde.
Bernhard Schlinks in mehr als 50 Sprachen übersetzter Bestseller „Der Vorleser“, 2008 mit Kate Winslet und David Kross auch verfilmt, hat Ende Januar 2024 Premiere. Johan Richter, bekannt dank der vierteiligen Familien-Saga „Kempowski“ am Altonaer Theater, wird die Rolle des jungen Michael spielen. Kai Hufnagel, der zuletzt auf der Foyerbühne den brisanten russischen Soldaten-Monolog „ZOV – Der verbotene Bericht“ inszeniert hatte, führt erstmals im großen Haus Regie bei der Geschichte über Liebe und Schuld vor dem Hintergrund deutscher NS-Verbrechen.
Uraufführungen vom Bremer Figurentheater Cipola und von „Die drei ???“
Zwei weitere Uraufführungen sollen zu Höhepunkten der neuen Spielzeit werden. Als Koproduktion mit der Bühne Cipola spielt erstmals Figurentheater für Erwachsene mit Livemusik einen Monat lang im Altonaer Theater. Die Bremer Bühne, schon mehrmals nominiert für die Privattheatertage in Hamburg (und Gast in den Kammerspielen) hat Graham Greenes 43 Jahre alten Roman „Dr. Fischer aus Genf oder die Bomben-Party“ (Premiere: 7. April) wiederentdeckt. Regisseur und Spieler Sebastian Kautz sowie Komponist und Sounddesigner Gero John haben keine Sorge davor, Greenes skurriles Werk mit den Puppen Melanie Kuhls auf die große Bühne zu bringen. Im Gegenteil: „Diese Theaterform braucht auch in Hamburg eine größere Lobby“, sagte der anwesende John.
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Und nach der überaus erfolgreichen Bühnenpremiere von „Die drei ???“ mit „Signale aus dem Jenseits“ in diesem März haben Schneider und Oberspielleiter Münzel für den März 2024 eine weitere neue Folge der populären Krimihörspielreihe geplant. Auch wenn die genaue Folge noch nicht feststeht, soll diese wie jüngst von Lea Ralfs erneut von einer Frau umgesetzt werden – von welcher Regisseurin, ist allerdings noch offen.
Dass diese die einzige Regisseurin eines Stücks im großen Haus sein wird, sei keine böse Absicht, so Schneider. Er verwies darauf, dass die Ausstattung in der nächsten Saison in Altona nahezu komplett in weiblicher Hand liege und die Regieteams mehrheitlich weiblich besetzt seien.