Hamburg. Körber Studio Junge Regie: Es lockt ein Preisgeld von 10.000 Euro – und um die Zukunft des Theaters ist einem nicht bang.

Im Thalia in der Gaußstraße herrscht Festivalstimmung. Wie in jedem Jahr gehört der Frühsommer am Thalia – als zweite Spielstätte ist der Campus Barmbek der Theaterakademie Hamburg dabei – dem Theaternachwuchs: dem Körber Studio Junge Regie. „Seid eigensinnig!“, ermutigt Thalia-Intendant Joachim Lux die Hoffnungsträger der Theaterzukunft. Es gehe darum, eine eigene Zeitgenossenschaft zu suchen, einen eigenen Ausdruck zu finden.

Darauf zielt auch die in Ungarn geborene, in die USA emigrierte und heute in Amsterdam lebende Theatermacherin und Autorin Edit Kaldor in ihrer Eröffnungsrede ab. Sie verweist auf die aktuellen Bedingungen für Studierende: die Erfahrungen der Pandemie, sozialen Spaltung, nun des Krieges. Es gehe darum, in diesem Umfeld Erfahrenes, Gesehenes greifbar zu machen, so Kaldor.

Theaterfestival Hamburg: Am Ende gibt es ein Preisgeld von 10.000 Euro

Beim Körber Studio Junge Regie 2023 wetteifern bis zum 11. Juni zwölf Inszenierungen von Studierenden aus den Regiestudiengängen der deutschsprachigen Hochschulen um den begehrten Preis: ein Produktionskostenzuschuss von 10.000 Euro, den eine Jury aus Theaterfachleuten am Ende vergeben wird.

Zum Auftakt präsentiert Elias Geißler von der Theaterakademie Hamburg mit „Not No One“ eine gemeinsame Stückentwicklung mit der Schauspielerin Josefin Fischer. Sie ist als Teil des fünfköpfigen Ensembles beim Einlass auf der Leinwand zu sehen – im exaltierten Widerstreit mit sich und der Welt. Als sich das Geschehen auf die Bühne verlagert, finden sich die Spieler und Spielerinnen in abstrakt historische Kostüme mit Rüschenblusen, Hosen und Kragen gewandet in einer wenig einladenden Umgebung wieder, die aus einem mit Plastikplanen verhängten, leeren Raum besteht.

Theaterfestival Hamburg: Reizvolles und formal interessantes Gedankenspiel

Auch wenn der Text bisweilen arg nebulös gerät, ist es ein reizvolles und formal interessantes Gedankenspiel, diesen fünf exzellent gespielten Gestalten mit ihren Neurosen und ihrer Egozentrik in einem an Pollesch geschulten Diskurs-Schlagabtausch zu folgen.

Als zweite Produktion steht am Eröffnungsabend traditionell ein zusätzlich zum Wettbewerb eingeladenes Gastspiel auf dem Programm. „Dust“ von Artūras Voiničius, verfasst nach „The Diary of Paneriai 194–1943“ von Kazimierz Sakowicz und inszeniert von dem jungen Regisseur Justinas Vinciūnas, Studierender an der Litauischen Academy of Music and Theatre Vilnius, beginnt wie ein konventionelles Historientheater – wandelt sich jedoch zu einem bewegenden Mahnmal der Erinnerungskultur im Angesicht des Holocausts.

Theaterfestival Hamburg: Stumme Puppe als eindringlicher Repräsentant

Ein junges Ensemble steht hier auf der Bühne im Staub, versetzt sich mit historischen Kostümen und einem Koffer in eine andere Zeit. Zum eindringlichen Repräsentanten von mehr als 100.000 zwischen 1941 und 1944 ermordeten Menschen – zumeist Juden – wird eine stumme Puppe, die einem jungen Mädchen ihre Erlebnisse einzuflüstern scheint.

Immer wieder verbindet die Inszenierung gekonnt dokumentarisches Material mit eindringlichen Bildern. Ein schwerer Stoff, sehr konzentriert und mit originellen Ideen erzählt. Um die Zukunft des Theaters ist einem nach diesem Eröffnungsabend zumindest nicht bang.

Körber Studio Junge Regie 2023 bis 11.6., Thalia Gaußstraße (Gaußstraße 190) und Campus Barmbek der Theaterakademie Hamburg (Wiesendamm 26), Infos und Programm unter www.thalia-theater.de