Hamburg. Medizinischer Notfall sorgt für Aufregung bei Auftritt von Tenor Rolando Villazón. Der Jubel ist anschließend aber umso größer.
- Rolando Villazón trat in der Elbphilharmonie auf
- Doch plötzlich geht es einer Person im Publikum schlecht
- Ärzte eilen herbei. Der Liederabend wird trotzdem nicht abgebrochen
Was ist eigentlich das Geheimnis von Rolando Villazóns Bühnenkarriere? Ganz einfach: sein großes Herz. Völlig klar, dass der Sänger in einem der intensivsten Momente seines Auftritts in der Elbphilharmonie abbricht, weil es einem Hörer im Parkett plötzlich schlecht geht.
Dass er, als von überall Ärzte herbeieilen, energisch nach Licht ruft, weil die Beleuchtung immer noch auf ein tropisches Sonnenuntergangs-Orange heruntergedimmt ist. Klar ist auch, dass er etwas später „gute Nachrichten“ überbringt: Dem Herrn gehe es besser. Es ist zu spüren, dass Villazón wirklich froh ist. Und die Menschen lieben ihn dafür.
Rolando Villazón präsentiert Lieder aus seiner Heimat
Von einem großen Herzen des Rolando Villazón zeugt auch das Programm dieses sehr besonderen Liederabends. „Serenata latina“ ist er überschrieben – nicht etwa „Serenata mexicana“, nach Villazóns Heimat. Man unterscheide in Lateinamerika zwischen der kleinen Heimat, dem Land, und der großen, dem Kontinent, erklärt er in seinem charmant gefärbten, flüssigen Deutsch.
Folglich umspannt das Programm Werke mit Wurzeln von Argentinien über Peru und Kuba bis nach Mexiko – und natürlich in Spanien, auf das sich zu beziehen die lateinamerikanische Kultur nicht umhin kann, auch wenn ihr das durchaus nicht immer recht sein dürfte.
Rolando Villazón singt voller Kummer und Herzschmerz
Es ist kein Zufall, dass die Lieder bei allem sinnlichen Schwung überwiegend von Schmerz und tiefer Melancholie handeln, dass der Tod nie fern ist, wenn von der Liebe die Rede ist. Der Liebeskummer dieser Lieder ist kein schlichter Teenie-Herzschmerz, in ihm schwingt auch das Schicksal einer geschundenen Weltregion mit. Nur so viel zum ambivalenten Verhältnis zu Spanien.
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Stilistisch bewegt sich die Auswahl zwischen Volkston und einer Romantik, die ihre europäischen Einflüsse nicht verleugnen kann. Am modernsten sind die Lieder des Argentiniers Alberto Ginastera zu Beginn. Da serviert Xavier de Maistre an der Harfe ein paar entschieden dissonante Akkorde.
Harfenist Xavier de Maistre hatte die Idee für den Konzertabend
Villazón braucht ein wenig, bis er sich freigesungen hat. Er presst die Phrasenenden heraus und landet immer mal etwas zu tief. Doch in der zweiten Konzerthälfte, bei den tief bewegenden „Alfonsina y el mar“ von Ariel Ramírez und „Coração triste“ von Alberto Nepomuceno, ist er ganz bei sich, spielt kleine Opernszenen, setzt Farben ein und variiert die Stimmführung. Und de Maistre nuanciert Artikulation und Dynamik aufs Feinste, auch in den Solonummern.
Die Idee für den Abend hatte übrigens er, nicht Villazón. De Maistre arbeitet konstant daran, das Harfenrepertoire zu erweitern. So kam es, dass sich die Witwe des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera an ihn wandte und ihn bat, sich dessen Gitarrenwerken anzunehmen. Was de Maistre natürlich aufgriff. „… und ich bin sehr dankbar, dass er an mich gedacht hat“, erzählt Villazón zwischen zwei Liedern.
Das Publikum ist es auch. Heftiger Applaus den ganzen Abend über, Jubelstürme, Pfiffe und Bravorufe am Ende.