Die Performancegruppe JaJaJa lädt regelmäßig zum Wandertag der besonderen Art: Diesmal ging es vom Airport nach Steilshoop.

Am Flughafen beginnen Reisen. Entsprechend ist es schon stimmig, dass die Hamburger Performancegruppe JaJaJa um Arvild J. Baud und Iris Minich ihren Spaziergang „City Artlife Tour“ in der S-Bahn-Station Hamburg Airport startet. Auch wenn es dann nicht in die Lüfte geht, sondern zunächst nur in den Wartebereich. Dort sammelt sich die kleine Reisegesellschaft und erledigt einige Aufgaben: „Mach einen umständlichen und komplizierten Gang durch den ganzen Raum!“ „Leg dich auf eine Bank und atme mindestens neunmal tief durch!“ „Knete eine Tontaube!“ Fast alle fangen erst mal an zu kneten, na gut.

Während der Corona-Lockdowns hatten sich Spaziergänge als theatrale Formate etabliert, auch JaJaJa, die man in Hamburg von der Bespielung des Gartens beim alljährlichen Kampnagel-Sommerfestivals kennt, haben damals in diesem Feld eine eigene Ästhetik entwickelt. Die „City Artlife Touren“ sind dabei eine Art Meisterstück: Rund fünfstündige Wanderungen durch den urbanen Raum, die die Stadt zur Bühne machen und die Bevölkerung zu Performern, angeleitet per Kopfhörer und Chatnachrichten auf dem Smartphone.

Performancegruppe JaJaJa: Vom Airport über Ohlsdorf nach Steilshoop

Die besuchte Tour führt auf die Besuchertrasse, wo Jan Holtmann von der noroomgallery wartet und einen über die Kunstgattung des Panoramas aufklärt – und mit einem Schlag entfaltet sich vor einem selbst das Panorama des Flughafens, Landebahn, Wiese, Architektur, bald startet ein Flugzeug. Von dort aus geht es erst mal zurück in die S-Bahn, eine Station Fahrt bis Ohlsdorf, dann über den Friedhof nach Steilshoop. Man kommt rum.

Zwischendurch gibt es kurze theatrale Vignetten: Eine Frau im Bahnhof mümmelt eine Blume. Auf dem Friedhof ereignet sich ein Verkehrsunfall in Zeitlupe. Auf einer Brache tanzt ein Taubenmensch. Latent beunruhigender Minimalismus, ansonsten ist die Wanderung schon Performance genug. Was dann eben auch heißt: Eine echte Dramaturgie hat die Tour nicht.

„City Artlife Tour“: Wer ist Zuschauer, wer ist Darsteller?

Im Grunde ist der Weg eine Abfolge von Stationen, die jede für sich einen gewissen Höhepunkt hat, nur dass es im Anschluss eben doch weitergeht. Die Pause auf der Friedhofswiese, bei der man fremde Mitwanderer davon überzeugen soll, mit einem Stullen zu tauschen (und so ins Gespräch kommt), die abgerockte Kneipe, in der Skulpturen aus Popcorn gebastelt werden wollen, der Blick vom Hochhausdach: Station folgt auf Station, jede ein Erlebnis.

In der Hochhaussiedlung schließlich kommt die Tour endgültig bei sich selbst an. Die Wandergruppe nämlich hat sich unmerklich vergrößert: Steilshooper Teenager laufen mit, fragen, ob sie auch mal die Kopfhörer ausprobieren können. Und spätestens jetzt ist JaJaJa ein echtes Kunststück gelungen, indem alle Grenzen konsequent verwischt wurden. Wer hier Zuschauer ist und wer Darsteller, das lässt sich jedenfalls nicht einmal mehr annähernd sagen.

„City Artlife Touren“, nächste Termine: 27. Mai (Slow-Mo-Tour), 3. Juni (barrierefreie Tour), 10. Juni (in englischer Sprache), 16 Uhr, Startpunkt wird bei Anmeldung bekannt gegeben, Anmeldung über www.kampnagel.de