Hamburg. Die sehenswerte Harburger Ausstellung widmet sich dem Humor und seinen Abgründen. Lustig, albern – aber mit ernsthaftem Kern.

Wirklich einladend wirkt die Präsentation im zweiten Stock der Sammlung Falckenberg nicht. Die Bilder sind fantasielos gehängt, eine schwere Kordel hält einen davon ab, sich den Exponaten zu nähern, auch die Lichtverhältnisse sind nicht optimal. „Wir haben hier eine Parodie auf ein etwas verstaubtes Fünfzigerjahre-Museum“, grinst Jörg Heiser, Kurator der Ausstellung „Ernsthaft?! Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst“. Allerdings ein Museum mit echten Schätzen: Ausgestellt sind Giorgio de Chiricos „Bagni misteriosi“-Bilder, selbst Parodien auf das Frühwerk des Surrealisten, dazu René Magrittes Penispfeife, die die Kritiker im Erscheinungsjahr 1846 spötteln ließ, dass der Meister jetzt in seine „Kuhperiode“ eingetreten sei. Und daneben schaut Maria Lassnigs „Selbst als Almkuh“ (1987) stumpf aus dem Rahmen heraus. Ein Witz.

Grundsätzlich ist die bildende Kunst nicht so wirklich in Witzstimmung – Künstler wie Fischli/Weiss etwa galten zwar lange Zeit als ganz lustige Sonderlinge, als Künstler ernst nehmen wollte man die Schweizer aber nicht. Wobei die Sammlung des Hamburgers Harald Falckenberg schon immer eine Ausnahme darstellte: Ihm geht es in seiner Sammlungspraxis auch darum, Abseitiges, Schräges, durchaus Humorvolles zu besitzen, wahrscheinlich auch aus einem Punk-Gestus heraus, der dem Ernst des künstlerischen Kanons grundsätzlich misstraut.

Falckenberg: Die Schau war schon in Bonn zu sehen und wandert anschließend nach Graz

Und auch wenn „Ernsthaft?!“ nicht als Sammlungspräsentation gedacht ist, sind natürlich viele Arbeiten aus dem eigenen Haus mit dabei. Im Übrigen nicht nur in der aktuellen Ausstellungsstation in den Harburger Phoenix-Hallen, sondern auch in Bonn, wo die Schau zuvor zu sehen war, sowie in Graz, wo sie im Anschluss hinwandert.

Also: Humor. Ursprünglich hatten Heiser und seine Mitkuratorin Cristina Ricupero geplant, die Schau „The Ed Wood Syndrome“ zu nennen, nach dem oft als „schlechtesten Regisseur der Welt“ geschmähten Filmemacher Ed Wood. Dass es dann doch der massentauglichere Titel „Ernsthaft?!“ wurde, ist allerdings eine Verkürzung – Ed Wood wäre schon ein passender Namenspate gewesen. Der 1978 gestorbene Regisseur drehte zweifellos entsetzlich üble Filme, Horror-Science-Fiction-Trash wie „Die Rache des Würgers“ (1955) oder „Plan 9 aus dem Weltall“ (1959), aber auch „Glen or Glenda“ (1953), eine frühe Auseinandersetzung mit Transidentität und alternativen Geschlechtsentwürfen. Und hinter all dem billigen Ausstattungsplunder und dem wüsten Chargieren in diesen Filmen versteckte sich eben auch eine große Liebe zum Kino. „Was zeichnete Ed Wood aus?“, fragt Kurator Heiser und gibt gleich selbst die Antwort: „Enthusiastische Peinlichkeit!“ Der Widerspruch zwischen diesen beiden Charakterisierungen ist genau das, was das Thema für die Kunst spannend macht.

In „Ernsthaft?!“ geht es nicht um Schenkelklopfer, sondern auch um Widersprüche

In „Ernsthaft?!“ geht es also nicht um Schenkelklopfer, sondern darum, solche Widersprüche auszuloten. Darum, große Künstler wie Martin Kippenberger, Hannah Höch oder Isa Genzken dabei zu beobachten, wie sie sich der Albernheit hingeben. Darum, nicht so große Künstler zu beobachten, wie sie das ganz Große versuchen und daran mit Würde scheitern (ein Kinoraum zeigt ausgewählte Szenen unter anderem aus Woods Filmen). Insgesamt sind 300 Werke von 100 Künstlern zu sehen, das älteste stammt von Pieter Bruegel d. Ä., die Druckgrafik „Drei Narren“, die jüngsten Arbeiten sind absolute Gegenwart, „Ubu Roi“ (2022) von Rosie Dowd-Smyth etwa.

Und dann ist da auch noch der Absturz des Witzes in den Horror. Wenn alles nämlich nur noch lächerlich ist, nimmt man auch die Abgründe des Alltags nicht mehr ernst, und politische Witzfiguren werden zu Schreckensherrschern. Davon erzählen Arbeiten wie Judith Bernsteins expressives, mit sexueller Gewalt aufgeladenes Gemälde „Trump Horror“ (2017) oder Jeremy Dellers Brexit-Analogie „Welcome To The Shitshow“ (2019) – das riesige Bild eines Union Jack, auf dem der böse Titel unübersehbar prangt. Nicht lustig.

Sammlung Falckenberg ist am Wochenende gratis zu besuchen

Stundenlang kann man sich in der Ausstellung aufhalten. Man kann sich freuen über den gnadenlosen Spaß, den viele der Exponate verbreiten, über die Albernheiten etwa in Mika Rottenbergs Film „Sneeze“ (2012). Man kann sich berühren lassen von der Wärme, die Cosima von Bonins Skulpturen „What If It Barks?“ (2018) ausstrahlen. Man kann sich auch schocken lassen von der Drastik und der Gewalt, die sich hinter dem Witz von Paul McCarthys „Skunks“ (1993) versteckt. Man kann lachen, man kann sich fürchten. Nachdenken kann man übrigens auch: Die Schau ist lustig, aber sie ist (meistens) nicht doof.

Und weil die Herangehensweise von „Ernsthaft?!“ selbstbewusst anti-elitär ist, hat die Sammlung Falckenberg ihre Zugangshürden radikal gesenkt: Von heute an sind die Hallen an Wochenenden von 12 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt und ohne Voranmeldung zugänglich, ein Programm, das zunächst bis zum Ende der nächsten Ausstellung zu Cindy Sherman am 28. Januar nächsten Jahres gilt. Außerdem gibt es umfangreiche Schrifttafeln, die das Ausstellungskonzept erläutern, auf Deutsch, Englisch und erstmals auch in Leichter Sprache – immerhin hat auch die humorvollste Ausstellung einen inhaltlichen Anspruch, der erläutert werden will. „Das ist nicht nur ein zusammengewürfelter Haufen von irgendwie lustigen Arbeiten“, meint Heiser, „wir wollen schon eine kunsthistorische Perspektive zeigen.“ Gut, dass das noch mal klargestellt wurde.

„Ernsthaft?! Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst“ bis 27. August, Sammlung Falckenberg, Phoenix Fabrikhallen, Wilstorfer Straße 71, Tor 2, sonnabends und sonntags von 12 bis 17 Uhr, Eintritt frei, Führungen (12/9 Euro) freitags um 15 und 17 Uhr, der Katalog kostet 35 Euro, www.deichtorhallen.de