Hamburg. Vor dem Auftritt in Hamburg erzählt der Bühnenstar von Mails einer Nobelpreisträgerin – und wann ihr Mann lieber das Haus verlässt.

Im Gespräch fröhlich drauflosberlinern – und dabei trotzdem sofort vertraut nach Hamburg klingen? Bei Fritzi Haberlandt, 1975 in Ost-Berlin geboren, geht das problemlos zusammen. Ihr Abitur hat sie einst in Norderstedt gemacht, ihre Schauspielausbildung anschließend an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch absolviert – in einem Jahrgang übrigens mit späteren Stars wie Lars Eidinger, Nina Hoss und Devid Striesow.

Später gehörte sie unter dem damaligen Intendanten Ulrich Khuon zum Ensemble des Thalia Theaters. Dorthin kehrt sie nun zurück, wenn sie im Rahmen des Hamburger Theater Festivals am 2. und 3. Juni mit der Berliner Elfriede-Jelinek-Produktion „Angabe der Person“ in der Regie von Jossi Wieler am Alstertor gastiert.

Das Hamburger Theater Festival – es ist die 15. Ausgabe des hochkarätig besetzten Gastspiel-Reigens – beginnt an diesem Dienstag am Deutschen Schauspielhaus mit einer (ausverkauften) Inszenierung des Wiener Burgtheaters: „Das weite Land“ mit Michael Maertens, Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau. Fritzi Haberlandt spricht zum Festivalauftakt über die Nobelpreisträgerin Jelinek, ihre eigene Rückkehr ans Theater und über das Glück, im Herzen des Hamburger Publikums „drinne“ zu sein.

An einer Stelle klagt Ihre Figur auf der Bühne die Autorin an: „Sie Schreiberin, Sie!“ Wie empfinden Sie als Schauspielerin die Arbeit an einem Text von Elfriede Jelinek? Regieanweisungen gibt es da zum Beispiel nicht, es gibt erst einmal nur eine große Textwand.

Fritzi Haberlandt: Ich hatte mir sehr gewünscht, mal Jelinek zu spielen. Schon immer! Ich bin ein großer Fan von ihren Texten. Vor dem Monolog hatte ich zwar sehr großen Respekt, war in den ersten Proben sehr nervös, gleichzeitig hab ich ziemlich schnell gespürt: Das kann zu etwas ganz Tollem werden. Die Mühe lohnt sich. Man hat eine riesige Freiheit. Das hat mir eine solche Freude bereitet, ein totales Geschenk!

Elfriede Jelinek geht ja selbst nicht mehr ins Theater – hatten Sie während der Proben denn Kontakt zu ihr?

Unser Regisseur Jossi Wieler kennt sie sehr gut, die beiden verbindet eine lange Arbeitsbeziehung. Darum gab es E-Mail-Kontakt. Uns wurden diese Mails dann immer vorgelesen – und wir waren darüber jedes Mal wieder begeistert. Wir bewundern sie alle sehr, das kann ich wirklich so sagen. Und dass dann morgens Mails von Elfriede Jelinek ankommen! (lacht) An uns! Das war schon toll. „Macht draus, was ihr wollt, ich lasse euch die volle Freiheit“, so in etwa. Sie mischt sich ja nicht ein, sie hat absolutes Vertrauen.

Hamburger Theater Festival: Elfriede Jelinek hat das Stück im Livestream gesehen

Hat sie denn das Ergebnis sehen können? Auf Video vielleicht?

Sie hat sogar die Premiere gesehen. Im Livestream! Und sie war wohl auch ganz angetan.

In „Angabe der Person“ spielen Sie mit Bernd Moss, der früher am Schauspielhaus engagiert war, und mit Susanne Wolff, die einst mit Ihnen im Thalia-Ensemble war ...

Ja! Wir sind eine sehr innige Truppe, eine richtige kleine Theaterfamilie. Das hat viel mit unserem Regisseur zu tun, Jossi Wieler, der ein wahnsinnig menschenfreundlicher und familiärer Regisseur ist. Wir hatten sehr harmonische Proben. Obwohl es ja vor allem Monologe sind, war von Anfang an klar, dass wir diesen riesigen Jelinek-Text nur miteinander wuppen können. Man denkt ja immer, man ist in einem Monolog Einzelkämpferin, aber das stimmt einfach nicht. Man fühlt sich durch die anderen total unterstützt und getragen.

Die dritte Frau auf der Bühne, Linn Reusse, wechselt zur nächsten Saison ans Schauspielhaus. Was für eine Schauspielerin erwartet das Publikum da?

Eine ganz tolle Spielerin! Klug, lustig, sehr begabt. Linn ist wirklich eine sehr vielfältige, sehr intelligente Kollegin.

Fritzi Haberlandt bei der Premiere der vierten Staffel der TV-Serie „Babylon Berlin“.
Fritzi Haberlandt bei der Premiere der vierten Staffel der TV-Serie „Babylon Berlin“. © picture alliance | Eventpress Golejewski

Fritzi Haberlandt: „Bei Ulrich Khuon war man gut aufgehoben, ich verdanke ihm viel“

Die Inszenierung ist ja am Deutschen Theater entstanden, das der Intendant Ulrich Khuon demnächst in den Ruhestand verlässt. Sie haben einst schon in Hannover bei Ulrich Khuon gespielt, später lange am Thalia Theater, wo er von 2000 bis 2009 Intendant war. Was bedeutet das für Sie?

Sehr viel. Ich kenne Uli Khuon seit meinem allerersten Engagement, er hat mich immer begleitet und ist eine totale Konstante in meinem Leben, auch eine väterliche Figur. Bei Ulrich Khuon war man immer gut aufgehoben, man konnte immer ein ehrliches Gespräch mit ihm führen und war immer auf Augenhöhe. Ich habe ihm wirklich viel zu verdanken. Und dazu kommt ja auch, dass in meinem Hinterkopf immer der beruhigende Gedanke war: Wenn ich unbedingt Theater spielen will, dann kann ich Uli anrufen. Komisches Gefühl, wenn das jetzt bald nicht mehr so ist!

Vielleicht könnten Sie künftig Sonja Anders anrufen, die designierte Thalia-Intendantin. Sie kennen Sie ebenfalls sowohl vom Thalia als auch vom Deutschen Theater ...

Ja! Dass sie jetzt am Thalia in die nächste Runde geht, finde ich wirklich super.

Wenn Sonja Anders Sie also fragen würde, ob Sie am Thalia ...

Na, aber auf jeden Fall! Ein Festengagement wäre vielleicht im Moment nicht unbedingt was für mich, da schätze ich meine Freiheit noch zu sehr – aber ich habe ja auch mein „Theater-Comeback“ kürzlich am Thalia Theater gehabt. Das war echt schön, nach so langer Zeit an meine alte Theater-Heimat zurückzukehren.

Fritzi Haberlandt: „Ich brauchte eine Pause, ich fühlte mich ausgelaugt“

Sie hatten zuvor sehr lange kein Theater gespielt. Warum nicht?

Ja, fünf Jahre. Da brauchte ich eine richtige Pause. Ich fühlte mich etwas ausgelaugt und uninspiriert.

Die Regisseurin Jette Steckel hat Sie schließlich für die Nino-Haratischwili-Inszenierung „Das mangelnde Licht“ zurückgeholt. Was hat Sie überzeugt, dass dies die richtige Produktion ist, um wieder anzufangen?

Es passte so gut! In dem Moment, in dem sie mich anrief, wusste ich schon: Das mache ich. Egal welche Rolle. Ich wollte dabei sein und mit Jette arbeiten. Genau in dieser Runde. Nino Haratischwilis Arbeit find ich ohnehin toll seit „Das achte Leben (für Brilka)“. Mir hatte diese intensive Arbeit am Text, die man am Theater haben kann, wirklich gefehlt. Und dann sollte das Ganze auch noch am Thalia sein – das war sozusagen die Krönung. Die haben so ein großartiges Ensemble! Ich habe mich vom ersten Moment an pudelwohl gefühlt. Es haben sich auch hinter der Bühne alle so gefreut, mich zu sehen, was mich wiederum auch so gefreut hat. Das Thalia ist ein so wichtiges Haus für mich, dass ich da jederzeit gern wieder spielen würde.

Jetzt gastieren Sie mit dem Berliner Jelinek-Abend beim Hamburger Theater Festival. Wie unterscheidet sich denn das Hamburger Publikum von anderen?

Mein Mann sagt immer: Du bist in Hamburg weltberühmt (lacht). Das trifft es vielleicht ganz gut. Und erkannt werde ich eben nicht über die Filmarbeit, dabei hab ich ja wirklich auch viel gedreht, sondern über das Theater! Da bin ich irgendwie Hamburgerin. Die Zuschauer sind wahnsinnig treu, das ist schön. Wenn man einmal in ihrem Herzen drinne ist, kommt man da glücklicherweise nicht mehr raus.

Haben Sie trotzdem noch Lampenfieber?

Hatte ich schon immer. Bei dem Jelinek-Abend erlebe ich allerdings einen Aufregungsgrad, darauf könnte ich gut verzichten! Aber das gehört anscheinend dazu.

Fritzi Haberlandt: „In der Garderobe stehe ich immer an derselben Stelle, da bin ich abergläubisch“

Gibt es denn Rituale vor der Vorstellung, die Sie brauchen?

Oh ja, die Vorstellungstage sind immer krass. Da rede ich den ganzen Tag über mit niemandem. Mein Mann verlässt immer das Haus, wenn er weiß, dass ich Vorstellung habe. Mit mir kann man dann nix anfangen! Ich beschäftige mich noch mal mit meinem Text, ich esse zu ganz bestimmten Zeiten, dann mache ich gar nichts mehr. Gar nichts! Kein Telefonat, keine Erledigung, nichts. Ich gehe ganz früh ins Theater, gehe noch mal durch meinen Text, stehe in der Garderobe immer an derselben Stelle, da darf nichts durcheinanderkommen, da bin ich schlimm abergläubisch. Und eine Stunde vor der Vorstellung hilft mir dann wirklich nix mehr (lacht). Aber hinterher bin ich glücklich!

Hamburger Theater Festival 16.5. bis 15.6., Infos und Karten unter hamburgertheaterfestival.de