Hamburg. Die Heidi-Kabel-Tochter Heidi Mahler bestätigt Vorhaben, in den Aufsichtsrat einzuziehen. Krisensitzung der Mitarbeiter am Donnerstag.
Auf der Website des Ohnsorg-Theaters kann man online „Tüdelkraam“ bestellen: Heidi-Kabel-DVDs, ein Plattdüütsch-Gebrauchswörterbuch, einen knallroten Fahrradsattelschutz. Offline beschäftigen das Haus derzeit Vorgänge, die ernster sind als „Tüdelkraam“.
Die Schauspielerin Sandra Keck, die einst drei Jahrzehnte lang festes Ensemblemitglied am Ohnsorg war, war am vorvergangenen Wochenende bei der jährlichen Mitgliederversammlung des Vereins Niederdeutsche Bühne Hamburg, der Eigentümerin des Theaters, überraschend und in geheimer Wahl gegen den langjährigen Vorsitzenden Christian Breitzke, einen Juristen, angetreten. Sie wurde zur ersten Vereinsvorsitzenden gewählt und übernahm damit – so ist die Struktur des Hauses – automatisch auch den Vorsitz des Aufsichtsrats der Ohnsorg-Theater GmbH.
Seither ist sie auf der Suche nach einer zweiten Vorsitzenden. Und das Haus ist, zumindest in Teilen, in Unruhe. Der Intendant Michael Lang ist krankgeschrieben, der Künstlerische Leiter Murat Yeginer wird sein Amt aufgeben.
Ohnsorg-Theater: Ob Heidi Mahler als Aufsichtsratsmitglied noch spielen darf, ist unklar
Im Aufsichtsrat mitwirken will, wie berichtet, künftig auch Heidi Mahler, bestätigt die Schauspielerin und Tochter der Ohnsorg-Ikone Heidi Kabel nun gegenüber dem Abendblatt: „Ich bin eigentlich entschlossen. Für das Theater.“ Die Statuten kenne sie noch nicht genau, räumt Mahler ein, die in der kommenden Saison erneut den Klassiker „Tratsch im Treppenhaus“ am Ohnsorg spielen soll.
Ob sie das als Aufsichtsratsmitglied noch darf (und ob es in dieser Funktion klug wäre), muss noch geklärt werden. Allerdings: „Meine Mutter war auch im Aufsichtsrat und hat trotzdem gespielt“, betont Mahler – die selbst allerdings nicht als Mitarbeitervertreterin berufen ist, sondern von außen, also von Sandra Keck, für das Gremium angefragt wurde.
Ohnsorg-Theater wird seine Spielstätte für drei bis fünf Jahre verlassen müssen
Der Aufsichtsrat wird sich nicht nur um die Bilanzen und die Kontrolle des Intendanten kümmern müssen, sondern wird mittelfristig auch mit der komplizierten Lage rund um den Bau des neuen Hamburger S-Bahn-Tunnels konfrontiert sein. Der Tunnel wird knapp unter dem Bieberhaus hindurchführen, das Ohnsorg-Theater wird seine Spielstätte dafür voraussichtlich ab frühestens 2028 für drei bis fünf Jahre verlassen müssen. Die Suche nach einem passenden und citynahen Interimsspielort müsste eigentlich mit Hochdruck verfolgt werden. Im Moment aber gibt es drängendere Baustellen.
Vermischt werden in der Diskussion, der öffentlichen wie auch der internen, bisweilen die Rolle des Aufsichtsrats und die inhaltliche, künstlerische Ausrichtung der Bühne. „Das Wichtigste für mich sind das Theater und das Publikum“, sagt etwa Heidi Mahler. Ihre Popularität als Schauspielerin und ihre lebenslange enge Verbundenheit mit dem Haus will die 79-Jährige nach eigenen Angaben vor allem nutzen, um auf den aus ihrer Sicht in Teilen fehlgeleiteten Kurs des Leitungsteams um Intendant Michael Lang und Oberspielleiter Murat Yeginer einzuwirken.
Heidi Mahler: „In einem plattdeutschen Theater hat Hochdeutsch nichts zu suchen“
Insbesondere geht es bei der Auseinandersetzung um den Anteil von hochdeutschen und plattdeutschen Passagen in Inszenierungen, um den Versuch, auch ein Publikum für den Spielplan und das Niederdeutsche zu interessieren, das diese Sprache nicht beherrscht. „In einem plattdeutschen Theater hat Hochdeutsch nichts zu suchen“, findet Heidi Mahler. „Was mich stört, sind hochdeutsche Titel für plattdeutsche Stücke oder dramaturgisch überflüssige hochdeutsche Passagen in plattdeutschen Dialogen.“
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Für das Heranführen an die plattdeutsche Sprache sei durch die Studiobühne, „die ausgezeichnet funktioniert“, hinreichend gesorgt, so die Schauspielerin. Natürlich müsse der Spielplan mit der Zeit gehen, „nicht aber die niederdeutsche Sprache“. Mahler glaubt: „Es gibt beim Publikum keine Schwellenangst. Das Theater soll natürlich nicht rückwärtsgehen, aber es hat es auch nicht nötig, den jungen Leuten hinterherzulaufen! Dagegen wehren wir uns vehement.“
Am Ohnsorg findet eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt
Wer dieses „Wir“ ist, bleibt indes diffus, zumal die Gruppen der Vereinsmitglieder und der Theatermitarbeiter zwar Überschneidungen aufweisen, aber nicht komplett identisch sind. Beide Gruppen sind zudem auch in sich heterogen. Öffentlich äußern möchte sich derzeit kaum jemand.
Manche haben Bedenken, den Ruf des Theaters weiter zu beschädigen oder die Gräben zu vertiefen, andere aus Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. In Hintergrundgesprächen fallen Vokabeln wie „Intrigantenstadl“ und „Putschversuch“. Sie wolle „dem Ohnsorg auf keinen Fall schaden“, hatte Sandra Keck zuletzt gegenüber dieser Zeitung betont. An diesem Donnerstag findet eine außerordentliche Mitarbeiterversammlung statt. Alles andere als Tüdelkraam.