Hamburg. Ukrainische Initiativen demonstrieren gegen Stück über russischen Ex-Soldaten und „Verräter“ Pawel Filatjew. Warum es so umstritten ist.
Dieser Theaterabend ist nicht unproblematisch. Regisseur Kai Hufnagel hat auf der Foyerbühne des Altonaer Theaters den Augenzeugenbericht des russischen Ex-Soldaten und „Verräters“ Pawel Filatjew „ZOV – Der verbotene Bericht“ in deutschsprachiger Erstaufführung inszeniert. Noch vor Premierenbeginn haben sich vor dem Theater rund 50 Protestierende von ukrainischen Initiativen zu einer Demonstration versammelt. „Keine Bühne für Täter“, rufen sie.
Altonaer Theater: Schauspieler muss gegen laute Protestrufe anspielen
Auf der Bühne muss Tobias Dürr gegen die anhaltenden Stimmen da draußen anspielen. Die Bühne ist, passend zur Kriegsthematik, ganz in ein Dunkel gehüllt. Ein paar Scheinwerfer blenden. Der ganz in Schwarz gekleidete Schauspieler löst vor einem Mikrofon langsam Malerkrepp von einer Rolle. Parallel zum lauten, unangenehmen Geräusch des Reißens spricht er von einer herannahenden Granate.
Dann erzählt er seine Geschichte von vorne, wie er als russischer Soldat in diesen Angriffskrieg gegen die Ukraine geraten sei. Und offenbar nicht wusste, wer hier gegen wen und warum eigentlich kämpfe.
Man fragt sich, ob dies wirklich zu dieser Zeit die richtige Stimme ist
Der Monolog offenbart die widerstreitenden Gefühle des Soldaten, die Angst, die Schlaflosigkeit, die Kälte, auch die Unfähigkeit der Militärführung, ihre Leute mit angemessener Kleidung und Materialien auszustatten. Und hier gerät der Abend zunehmend in einen Zwiespalt.
Denn zwar lässt der von Dürr verkörperte Filatjew wissen, dass er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt, doch dann berichtet er vor allem von der Gefahr für das eigene Leben, von Fehlern der Führung, die zu militärischen Misserfolgen führten. Man fragt sich zunehmend, ob dies wirklich zu dieser Zeit die richtige Stimme ist, der es zuzuhören gilt, oder wie das Theater meint, ein „Zeitzeugnis, das es kritisch zu hinterfragen und einzuordnen gilt“.
Theater Hamburg: Autor Pawel Filatjew ist durchaus umstritten
Obendrein ist Filatjew als Autor durchaus umstritten. Die russische Menschenrechtsorganisation Gulagu.net, die ihm zur Flucht nach Frankreich und auch zur Veröffentlichung seines Berichts verhalf, hat er inzwischen verklagt. Ursprünglich sollte er die Erlöse des Buches, das in mehreren europäischen Ländern zum Bestseller avancierte, an Wohltätigkeitsorganisationen in der Ukraine entrichten. Das ist offenbar nicht geschehen. Er sei von der Organisation unter Druck gesetzt worden, so Filatjew.
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Es bleibt ein widersprüchlicher Theaterabend und die Frage, ob er in diesen Tagen einen angemessenen Beitrag zu dem entsetzlichen täglichen Morden und Sterben liefert. Denn es herrscht weiterhin Krieg in der Ukraine.
„ZOV – Der verbotene Bericht“ Vorstellungen bis 25.6., Altonaer Theater, Museumstraße 17, Karten unter T. 39 90 58 70; www.altonaer-theater.de