Hamburg. Am 1. Mai führt das Altonaer Theater den Bestseller eines russischen Deserteurs auf. Das löst bei einigen Empörung aus.
Als Pawel Filatjew im Februar vergangenen Jahres mit dem 56. Angriffsregiment der russischen Luftlandetruppen zum Sturm auf die Ukraine abkommandiert wird, glaubt er noch, es gehe um die Verteidigung seines Vaterlandes. Zwei Monate später kehrt er desillusioniert und mit einer Augenverletzung von der Front zurück – und beschließt, der Welt und vor allem Russland die Wahrheit über den Angriffskrieg zu erzählen.
„ZOV 56“ nennt Filatjew seine Memoiren, nach dem Symbol, das bei der Invasion auf den russischen Kampffahrzeugen stand. Er desertiert und landet auf Umwegen schließlich in Frankreich, wo er politisches Asyl erhält. Filatjews Buch wird in viele Sprachen übersetzt und zum Bestseller.
Nun findet es auch den Weg auf die Bühne. Im Foyer des Altonaer Theaters erlebt „ZOV – der verbotene Bericht“ am 1. Mai (18 Uhr) seine deutschsprachige Uraufführung. „Ein hochaktuelles Stück über einen Mann, der durch die Erlebnisse an der Front zu einem vehementen Gegner des Ukraine-Krieges geworden ist“: So wirbt das Theater für die Inszenierung von Regisseur und Schauspieler Kai Hufnagel.
Umstrittenes Stück „ZOV“: Ukrainer wollen vor Altonaer Theater demonstrieren
Doch das ist offenbar nur eine Sichtweise auf Filatjew. Dass manche seiner Behauptungen nicht überprüfbar sind, ist das eine. Einige in der Ukraine werfen dem 34-Jährigen zudem vor, seine verbrecherischen Taten als Fallschirmjäger in der Armee zu romantisieren.
Und so wird es wohl passieren, dass die Weltpolitik am Tag der Arbeit nicht nur auf der Foyerbühne des Altonaer Theaters widerhallt, sondern auch vor dem Gebäude. Für die Zeit von 16.30 Uhr bis 21 Uhr ist dort eine Demonstration angemeldet. Motto: „No ZOV in Hamburg.“
Bereits am Sonntag (30. April) soll es vor dem benachbarten Altonaer Museum eine gleichlautende Kundgebung geben. Nach Polizeiangaben werden jeweils 50 teilnehmende Personen erwartet.
Ukrainische Initiative über „ZOV“-Aufführung „empört“
„Vom Leid der Menschen in der Ukraine durch russische Aggression zu profitieren, ist genauso unmenschlich wie die Verbrechen, die er in der Ukraine begangen hat“, heißt es in dem Aufruf.
Auch die Kulturinitiative „Ukrainian Days in Hamburg“ äußert in den sozialen Netzwerken „Empörung über die Bereitstellung einer kreativen Plattform in Hamburg für ein Werk eines Militärs, der direkt an Russlands groß angelegter Invasion in die Ukraine beteiligt war“. Filatjew sei „ein Krimineller“. Die Aufführung müsse „bis zu einer vollständigen und umfassenden Untersuchung der Verbrechen des Autors“ ausgesetzt werden.
Altonaer Theater verteidigt „ZOV“-Inszenierung
Das Altonaer Theater verteidigte die Inszenierung. Filatjew stehe „stellvertretend für jene Russen, die aller propagandistischen Gleichschaltung zum Trotz ihre Zivilcourage nicht verloren haben. Seine Stimme gehört zu jenen, die nach dem Ende des Ukraine-Krieges einen Beitrag zur Verständigung leisten können“, heißt es in einer Stellungnahme.
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Das Theater habe ausdrücklich auch bei deutsch-ukrainischen Institutionen und Initiativen für die Premiere geworben. Allerdings achte und respektiere man das Versammlungs- und Demonstrationsrecht als ein hohes demokratisches Gut. „Wir gehen davon aus, dass künstlerische Freiheit und die Ausübung des Demonstrationsrechts sich nicht ausschließen und friedlich nebeneinander bestehen können.“