Hamburg. Die Schauspielerin und Bestsellerautorin Adriana Altaras liest bei den Hamburger High Voltage Frühjahrslesetagen aus ihrem neuen Buch.
Für jede Lebenslage ein Spruch. Dazu reichlich Pasta. Das ist schon der ganze Trick – wenn man 101 Jahre alt werden, das KZ, die Spanische Grippe, eine norditalienische Schwiegermutter und im hohen Alter auch noch den ganzen Corona-Wahnsinn überleben will.
Jedenfalls funktioniert es so bei Teta Jele, der eigensinnigen jüdischen Tante der Schauspielerin, Regisseurin und Bestsellerautorin Adriana Altaras, über die die Nichte (selbst Jahrgang 1960) nun in einem ganz und gar wunderbaren, zärtlichen und autofiktionalen Buch geschrieben hat: „Besser allein als in schlechter Gesellschaft“ (Kiepenheuer & Witsch, 240 S., 22 Euro) heißt es.
Auch eine Tanten-Weisheit, selbstverständlich. Und wer es liest, begreift die eigentliche Klugheit: Humor, eine so positive wie praktische Grundeinstellung – und das Vermögen, das Leben bisweilen sehr und im richtigen Moment gerade nicht so ernst zu nehmen.
In Hamburg hat Altaras unter anderem bei Ulrich Waller gespielt
Adriana Altaras ist eine Mehrfachbegabung, wie es sie auf diesem Qualitätsniveau nur selten gibt. In Hamburg hat Altaras unter anderem bei Ulrich Waller am St. Pauli Theater gespielt, in „Anatevka“ und in Wallers Italien-Projekten (wie „Amara Terra Mia“).
Wer sie nach ihrer eigenen Heimat fragt, wird keine kurze Antwort bekommen: Jugoslawien, Italien, Deutschland gehören dazu. „Und die Kultur.“
Dass sie bei ihrer Verwandtschaft und ihrer Lebensgeschichte geradezu zur Erzählerin werden musste, leuchtet spätestens bei der Lektüre ihrer immer persönlichen literarischen Werke (auch toll: „Titos Brille“ oder „Doitscha – eine jüdische Mutter packt aus“) sofort ein.
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Geboren wurde Altaras in Zagreb, als Vierjährige wurde sie nach Italien geschmuggelt, eben zu jener Teta Jele, die dem Kind zunächst Mutterersatz und schließlich Lebensbegleiterin wurde. Von der reifen Adriana wird die betagte Tante („Alle sterben, nur die Tante nicht. Gott hat sie einfach vergessen. Mir ist es recht.“) mit Gesellschaft und erlesenem Schnickschnack aus dem Berliner KaDeWe versorgt, im Gegenzug gibt es Trost nach der späten Trennung des Ehemanns.
Ein „Coronabuch“, falls das schon als literarische Kategorie zählt, ist es auch
Adriana Altaras schreibt abwechselnd aus zwei Perspektiven, ihrer eigenen und der von Teta Jele. Es ist ein Erinnerungsbuch, eine originelle Liebeserklärung, ein urkomisches Fabulieren durch zwei ziemlich bewegte, in Teilen tragische Leben.
Ein „Coronabuch“, falls das schon als literarische Kategorie zählt, ist es auch. Vor allem aber ist es eine charmante und tröstliche Geschichte über das Älterwerden und das Uraltwerden. Man sollte es ganz unbedingt rechtzeitig lesen.
Die Autorin liest, moderiert von Rainer Moritz, am Fr 14.4., 19.30 Uhr, 12,-/8,- Euro, in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg, Heilwigstraße 116.