Hamburg. Zlata Chochieva und die Hamburger Camerata in der Elbphilharmonie: ein Abend voller Höhepunkte – und mit einem Wermutstropfen.
Johannes Brahms und Antonín Dvořák waren echte Freunde. Der Hamburger, der irgendwann in das von Böhmen wenig geliebte Reich der Habsburger nach Wien ausgewandert war, sagte über Dvořák: „Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle zusammen.“ Das nahezu ausverkaufte Konzert der Hamburger Camerata am Mittwoch in der Elbphilharmonie war diesem künstlerischen Austausch, aber auch der zwischen Hamburg und Prag seit 1990 bestehenden Verbundenheit als Partnerstädte gewidmet.
Elbphilharmonie: War Pianistin Zlata Chochieva zu scheu für eine Zugabe?
Unter der Leitung des jungen ungarischen Dirigenten Gábor Hontvári spielte die Camerata zu Beginn die Streichorchesterfassung der von Dvořáks Schwiegersohn Josef Suk 1914 komponierten „Meditation über den altböhmischen St.-Wenzeslaus-Choral“ op. 35a. Das elegische, von den Bratschen angestimmte Choralthema, das sich rasch zu einem emphatischen Aufruf steigerte, verstanden die Böhmen damals auch als Aufforderung, sich in der Rückbesinnung auf die eigene Kultur nicht von den Österreichern unterdrücken zu lassen. Wunderbar spannten Hontvári und die Camerata-Streicher die dynamischen Bögen von kraftvoller Selbstbehauptung bis zu empfindlichsten Pianissimos.
Die hohe Qualität der Camerata in der Ausformung melodischer Linien prägte dann auch die Exposition von Dvořáks viel zu selten aufgeführtem Klavierkonzert g-Moll op. 33. Das Flötensolo Ulrike Höfs, deren Eigenart es ist, den Kopf etwas nach links zu neigen, um die Töne aus ihrem schräg nach oben gehaltenen Instrument noch klarer und runder hervortreten zu lassen, nahm sogleich gefangen.
Solistin und Orchester warfen sich musikalisch die Pingpongbälle zu
Obwohl hochvirtuos und technisch brillant, ihre dominierende Rolle als Solistin behauptend gelang es der russischen Pianistin Zlata Chochieva trotzdem immer wieder, dem Orchester ebenfalls die Bühne zu überlassen, indem sie sich selbst zurücknahm. Vor allem die hellen, folkloristischen Themen, wurden in ihre Bestandteile zerlegt vom Orchester und dem Klavier wie Pingpongbälle hin- und hergeworfen.
Chochievas Anschlag und ihre Fähigkeit, neben perlenden Läufen und rhythmischer Präzision auch intimste Stimmungen zu erzeugen, verlieh dem Andante sostenuto eine besondere Qualität. Man hätte sich noch auf eine Zugabe dieser so sympathischen und empfindsam agierenden Pianistin nach dem Schlussapplaus gefreut, aber sie gab den ihr überreichten Blumenstrauß schnell an eine Geigerin weiter und verließ fast scheu in schnellen Schritten das Podium.
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Bei Bohuslav Martinůs kurz vor seinem Tod 1959 entstandenem Nonett spielten ausgewählte Bläser und Streicher mit Ausnahme des Cellos im Stehen und es war ein Vergnügen, wie sich die munteren Teile des Poco allegro wie bunte Mosaiksteine aneinanderfügten. Alles floss in diesem so dicht gebauten dreisätzigen Werk, in dem jeder Einzelne sein Forum erhielt und sowohl der Klarinettist Johann-Peter Taferner mit großen Intervallsprüngen als auch der Oboist Fabian Sahm die vielen Aufschläge, die Martinů seinen Interpreten bot, mit Lust und Esprit nutzten.
Konzert in der Elbphilharmonie: Bei Brahms geriet Hamburger Camerata fast ins Swingen
Demgegenüber erschien das Frühwerk Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16 von Johannes Brahms, das für ein Kammerensemble ohne Violinen instrumentiert ist, trotz der hervorragenden Interpretation weitaus strenger. Dazu trug auch die absichtlich von Brahms gewählte dunkle Tönung des Werkes bei, in dem anders als bei den Tschechen die Klangregister der Instrumente nicht so kontrastreich genutzt wurden. Am lebendigsten war das Scherzo vivace, das mit der Hamburger Camerata fast ins Swingen geriet und den Dirigenten zu einem Aufstampfen mit dem Fuß animierte.