Hamburg. Die Kanadierin feiert mit ihren Fans in der ausverkauften Sporthalle eine riesige Party – und springt in den Bühnengraben.

Gefärbte Haare und schwarzer Kajal, zerrissene Jeans und Doc-Martens-Stiefel, Miniröcke und Turnschuhe von Vans oder Converse. Am Montagabend war deutlich zu sehen, wer unterwegs ist zum Konzert in der Sporthalle Hamburg. Denn Avril Lavigne, das ist nicht nur eine kanadische Sängerin, das ist ein Lebensgefühl. Zwischen Skater-Kultur und Teenie-Träumen hat sie in den Nuller-Jahren eine eingängige Punk-Pop-Welt geschaffen.

Mit Freunden rumhängen, tief fühlen, leicht leben. Mit diesem Spirit ist Lavigne eines der prägenden Bindeglieder vom Grunge der 90er bis zum heutigen Emo-Sound einer Billie Eilish. Und dementsprechend sind zwar Teile des Publikums mit der nun 38-Jährigen mitgealtert. Und die Skaterjungs von einst tragen jetzt Bart und Bauch zur Bierdose. Aber die „Pop Punk Queen“ zieht durchaus auch jüngere Freundescliquen in die ausverkaufte Halle. Und die Künstlerin hat offenbar selbst ein Herz für den Nachwuchs.

Sporthalle Hamburg: Fans werden zu einem riesigen Begleitchor für Avril Lavigne

Aus ihrer Wahlheimat Los Angeles hat Avril Lavigne gleich zwei Acts für ihr Vorprogramm ausgewählt. Die alternative Pop-Sängerin Phem und die Pop-Punk-Band Girlfriends führen auf ihre Art das Lebensgefühl der Avril Lavigne fort. Verspielt, rau, energetisch, aber ohne die Lässigkeit zu verlieren. Und so wird der Abend zu einem kleinen Avril-Lavigne-Festival – mit ihr selbst als Headliner.

Vier schwebende schwarze Luftballons hält sie an Schnüren in der Hand, als sie hinter ihrer fünfköpfigen Band auf einer Rampe erscheint. Heftiger Jubel brandet auf, als Avril Lavigne mit „Bite Me“ ihr anderthalbstündiges Set eröffnet. Ein Song aus ihrem 2022 erschienenen siebten Album „Love Sux“, nach dem auch ihre aktuelle Tour benannt ist. Denn bei all der Nostalgie muss unbedingt festgehalten werden: Avril Lavigne ist eine sehr gegenwärtige und vielseitige Popmusikerin. Bei „Wish You Were Here“ greift sie später zur Akustikgitarre, bei „Love Sux“ spielt sie das Schlagzeug.

Avril Lavigne: schwarze und rote Luftballons tanzen über den Köpfen

Auch wenn viele in der Menge gewiss gerade aus ihrem äußerst erwachsenen Berufsalltag kommen, feiern sie doch eine große Party zu der adoleszenten Hymne „Here’s To Never Growing Up“. Inklusive riesiger schwarzer und roter Luftballons, die über den Köpfen tanzen. „It’s gonna be a fucking fun night, Hamburg!“, ruft Lavigne und bedankt sich dafür, dass die Fans coronabedingt drei Jahre auf dieses Konzert gewartet haben.

Bei wuchtigen Balladen wie „Complicated“ und „Happy Ending“ singt sie mit der Halle aufs Schönste im Chor. Als sie bei „I’m A Mess“ in den Bühnengraben springt, um ihre Fans zu begrüßen, kommt der Ton zwar kurz fiepend nicht hinterher. Aber das geht im Trubel fast unter. Zumal ein hübscher Höhepunkt folgt: Travis Mills von der Vorband Girlfriends intoniert „All The Small Things“ von Blink-182 gemeinsam mit Phem und Lavigne, die alle drei mobile Nebelmaschinen aktivieren. Und mit Nummern wie „Girlfriend“ und „Sk8er Boi“ entfesselt Lavigne fulminant krachende Überhits.

Das Finale mit der Zugabe „I’m With You“ gerät zur gefühlvollen Umarmung im Handylichtermeer. Eine ganze Passage lässt Lavigne die Menge alleine singen, nur zum Takt der Drums, während sie dirigiert. Ein Lebensgefühl. Schön.