Hamburg. Veranstalter fordern mehr Fördergelder mit dramatischem Aufruf: Ein Finanzierungskollaps der Literaturvermittlung stehe bevor.
„Literaturvermittlung braucht verstärkt finanzielle Absicherung und kulturpolitische Sorgfalt“ – das war die Überschrift eines Appells, den das Netzwerk der Literaturhäuser im deutschsprachigen Raum unlängst in einer Pressemitteilung überbrachte. Die Botschaft geriet einigermaßen alarmierend. Nichts weniger als ein „Finanzierungskollaps der Literaturvermittlung, von Lesungen, Gesprächen und Diskussionen“ stehe bevor.
Im gesamten Veranstaltungssegment Buch seien Vielfalt und Entwicklung bedroht, „die massiven Kostensteigerungen in sämtlichen Bereichen gefährden mittelbar eine wesentliche Existenzgrundlage von Autoren und Autorinnen sowie die Sicht- und Erlebbarkeit des Kulturguts Buch“.
Ein dramatischer Aufruf an die öffentliche Hand also – zwecks Programmsicherung. Ist die Lage für Literaturveranstaltungen tatsächlich so dramatisch? Rainer Moritz, Chef des Hamburger Literaturhauses, äußerte sich auf Anfrage des Abendblatts wie folgt: „Es wird unterschätzt, wie sehr sich die Situation im Literaturbetrieb und insbesondere in der Literaturvermittlung aktuell verändert. Nach dem Wegfall der Corona-Förderungen herrscht keineswegs eitel Sonnenschein.
Große ökonomische Herausforderungen
Die Lesungsveranstalter und insbesondere die Literaturhäuser müssen mit großen ökonomischen Herausforderungen kämpfen: Die Honorarerwartungen der Autorinnen und Autoren sind markant gestiegen. Für Reise-, Hotel- und Verpflegungskosten ist ebenfalls mehr aufzuwenden. Wir haben höhere Personalaufwendungen, vom sprunghaften Anstieg der Energiekosten ganz zu schweigen.“
Speziell für sein Haus ist die Lage dem Anschein nach noch nicht ganz so schwierig. Hamburg sei bislang „mit einem blauen Auge davongekommen“ – weil die Behörde für Kultur und Medien in der Corona-Zeit „tatkräftig und unbürokratisch geholfen“ habe, so Moritz.
Eine Kostenexplosion in vielen Bereichen
Auch vom Bund gab es mit der Initiative „Neustart Kultur“ Unterstützung. Dennoch sagt Rainer Moritz: „Die sich in den letzten zwei Jahren fast ständig verändernde Situation war nur durch einen extrem hohen Einsatz unseres Teams zu meistern. Aufgrund der beschriebenen Kostenexplosion ist jedoch ganz klar, dass wir ohne eine weitere zusätzliche Unterstützung das Veranstaltungsprogramm künftig einschränken müssen, da die meisten Abende selbst bei gutem Besuch defizitär sind.“
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Einschränkungen will Moritz unbedingt verhindern. Auch im Hinblick auf die Autoren, für die das „ein erheblicher ideeller und finanzieller Verlust“ wäre. Dass es nicht ganz schlecht lief zuletzt, konnte man an ausverkauften Lesungen erkennen. Der Publikumszuspruch ist nach dem Corona-Loch wieder auf gutem Niveau. Und auch die Entscheidung, das Streamingangebot beizubehalten, scheint sich als richtig herauszustellen.
Hamburger Literaturszene hat sich sehr gut entwickelt
Seit Januar, stellt Moritz fest, kehrt das Publikum nicht nur in Hamburg verstärkt zurück. „Eine gewisse digitale Müdigkeit und die wiedererwachte Lust auf LiveBegegnungen gehen da Hand in Hand“, sagt Moritz, „das persönliche Erleben von Autorinnen und Autoren ist durch kein digitales Format zu ersetzen.“ Dessen ungeachtet habe sich das Streamingangebot als Zusatzangebot bewährt.
Wie hoch die finanzielle Mehrzuwendung sein müsste, um das bisherige Angebot beizubehalten, kann Moritz nicht sagen. Der Netzwerkappell ziele vorrangig darauf ab, für die wachsende Finanzierungslücke zu sensibilisieren und unmissverständlich aufzuzeigen, welche Konsequenzen ein Einfrieren der Förderungen von Land und Bund hätte.
Er sei in ständigem Austausch mit der Kulturbehörde. Die Hamburger Literaturszene habe sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, und am Erhalt und Ausbau dieser Szene arbeite man zusammen mit der Behörde. „Dass dabei nicht nur gute Worte vonnöten sind, wissen unsere Ansprechpartner“, so Moritz.