Hamburg. Der Hamburger Kinderbuchverlag schaltet sich in die Diskussion um die Veränderungen im Werk von Roald Dahl ein.
Der in Hamburg ansässige Carlsen Verlag, eines der größten Häuser für Kinder- und Jugendliteratur im deutschsprachigen Raum, sieht die unlängst öffentlich gewordenen Veränderungen im Werk des Autors Roald Dahl und die damit verbundenen Diskussionen als „Ausdruck einer Stimmungslage, mit der sich Kinder- und Jugendbuchverlage unter Social-Media-Bedingungen mehr als zuvor auseinandersetzen müssen“.
Auf Anfrage des Hamburger Abendblatts teilte der Carlsen Verlag mit, dass er sich „der Dynamik gesellschaftlicher Umbrüche, medialer Diskussionen und Leserzuschriften“ immer wieder neu stelle. Die Aufgeschlossenheit aktuellen Strömungen gegenüber und das Bestreben, Impulse des Zeitgeists aufzugreifen, dokumentiert der Verlag auf seiner Internetseite. Überschrieben ist der Werte-Katalog mit „Was (uns) wichtig ist“, er nennt als Leitideen Gender-gerechte Sprache, Vielfalt und Diversity.
Im Fall Roald Dahl (1916–1990) geht es um den Umgang des britischen Verlags Puffin Books unter anderem mit den Kinderbuchklassikern „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und „Matilda“. Die Sprache in den englischen Ausgaben soll künftig sensibel sein und nach Möglichkeit niemanden vor den Kopf stoßen. Aus Zuschreibungen wie „enorm fett“ wird dann „enorm“; auf potenziell verletzende Begriffe wie „crazy“, „idiots“ oder „mad“ soll, berichtete der „Telegraph“, möglichst verzichtet werden.
Für den Carlsen Verlag ist „eine einfache Antwort nicht zu haben“
Von Carlsen, der zum schwedischen Medienunternehmen Bonnier gehört und in dem unter anderem die deutschen Ausgaben der „Harry Potter“-Reihe erscheinen, heißt es weiter: „Wir diskutieren intensiv und entscheiden sorgfältig, auch im Gespräch mit den Autorinnen und Autoren, die uns ihre Texte anvertrauen, weil wir sie für veröffentlichenswert halten.“
Natürlich spiele es eine Rolle, „ob ein Kinderbuch Alltag heute realistisch beschreiben und anhand von Illustrationen zeigen“ wolle, um „praktische Orientierung zu vermitteln“, oder „ob es um einen literarischen Text geht, der seine eigene Welt schafft und Leserinnen und Lesern die Möglichkeit gibt, sich von anderen Vorstellungen als den eigenen vielleicht irritieren, in jedem Fall aber zur Auseinandersetzung anregen zu lassen, auch und gerade dann, wenn andere Zeiten und Kontexte zur Sprache kommen“. Dabei seien die Grenzen fließend und „eine einfache Antwort nicht zu haben“.
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Die schärfste Reaktion auf die Initiative von Roald Dahls Verlag kam übrigens von Salman Rushdie, der auf Twitter wetterte („Puffin Books und die Dahl-Erben sollten sich schämen“) und von „absurder Zensur“ sprach.
Der Kinderbuchverlag schaltet sich in Diskussion um Roald Dahl ein
Kern der Vorgänge um die Bücher Dahls, deren Auflage weltweit bei 300 Millionen liegt, ist ein Kulturkampf zwischen überzeugten Vertretern der Political Correctness, die die Verbreitung von fragwürdigen Stereotypen verhindern wollen, und jenen, die Literatur und Kunst jeweils aus der Zeit heraus geboren betrachten – und als möglichen Gegenstand der gesellschaftlichen Debatte.
Der ebenfalls in Hamburg ansässige Oetinger Verlag hat Erfahrung mit der Überarbeitung von Kinderbüchern. 2009 griff der Verlag in Astrid Lindgrens populäre „Pippi Langstrumpf“-Reihe ein und tilgte dort die Wörter „Zigeuner“ und „Neger“. Aus dem „Negerkönig“ wurde der „Südseekönig“.
Zur derzeit laufenden Diskussion um die Bücher Roald Dahls wollte sich der Verlag auf Anfrage des Hamburger Abendblatts nicht äußern.