Berlin. Die Oscar-Preisträgerin spricht über die bislang forderndste Rolle ihrer Karriere – und wie es war, mit Nina Hoss verheiratet zu sein.
„Tár“ wurde bei der Berlinale gezeigt, dort sprach Cate Blanchett mit Peter Zander über den Film und seine Leitmotive.
Sie spielen eine gefeierte Dirigentin, die Frau und Kind hat, aber ihre Position auch für Affären mit Musikerinnen missbraucht und tief fällt. Sowas kennt man sonst nur von Männern. Verstehen Sie diese Lydia Tár, muss man seine Rollen verstehen?
Cate Blanchett: Nein, so denke ich nicht. Das wird ja oft bei weiblichen Figuren gefragt, ob man sie mag oder nicht, ob man sie attraktiv findet oder nicht. Ich habe diese Frau nicht als Rolle gesehen, sondern als einen Satz aus einer Mahler-Sinfonie, als eine Krise, die Menschen durchmachen. Das ist ein bisschen wie ein Rorschachtest. Es geht nicht darum, ob ich eine Figur mag oder nicht. Du musst verstehen, warum sie so ist.
Würden Sie Lydia Tár als Ihre bislang forderndste Rolle bezeichnen?
Cate Blanchett: Ja (überlegt). Ja. Ich wurde davon völlig absorbiert. Ich hatte keinen Raum mehr für irgendwas anderes. Es hat mich aufgezehrt. Nicht nur die Aufgabe, die Rolle zu spielen. Auch die Fragen, die der Film aufwirft. Auf die ich keine Antwort habe, aber mit denen ich mich auseinandergesetzt habe. Und über die ich immer noch nachdenke. Aber ich habe in Todd (Regisseur und Drehbuchautor Todd Field) schon seit langem eine verwandte Seele, und in Nina jetzt auch. Man kann herausgefordert werden. Aber wenn man sich gegenseitig fordert, ist das berauschend.
Wie war es, mit Nina Hoss verheiratet zu sein? Wie war Ihr Zusammenspiel?
Cate Blanchett: Oh, ich möchte nie mit einer anderen Frau verheiratet sein! Ich habe Ninas Arbeit schon lange verfolgt. Aus purem Zufall verschlug es uns beide zur selben Zeit nach Budapest, wo wir unterschiedliche Filme drehten. Wir trafen uns beim Frühstück im Hotel. Das war während der Pandemie, so konnten wir Zeit miteinander verbringen, als man sonst niemanden treffen durfte. Das war ein Segen. Wir stellten fest, wie viele gemeinsame Bekannte wir haben, welch ähnliche Rollen wir gespielt haben. Damit haben wir eine gute Grundlage geschaffen für diesen Film. Sie ist eine Meisterin ihrer Kräfte. Ihr Inneres kann Szenen für ganz neue Möglichkeiten öffnen. Nina ist ein Wunder.
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Und wie ist das, ein Orchester zu dirigieren? Sind Sie eine Freundin klassischer Musik?
Cate Blanchett: Oh ja. Ich habe einen sehr erlesenen Geschmack. Und für viele Schauspieler ist ein Musikstück ein Bezugspunkt zu einer Rolle, um sich einzustimmen. Klar, ich bin keine Dirigentin. Auch keine Musikerin. Aber ich habe viele Jahre ein Theater geleitet, ich weiß, wie man ein Ensemble zusammenhält und was man da zu verlieren hat. Beim Dreh vor all diesen Musikern zu stehen, war erst mal furchterregend. Ich hätte mir gewünscht, dass wir diese Szenen zuletzt drehen, es waren aber die ersten. Die Dresdner Philharmoniker sind aber großartige Musiker. Und ihnen ging’s ja ähnlich: Sie mussten schauspielen. Das war für sie genauso neu. Die Szenen waren für uns alle spannend.
Hören Sie klassische Musik jetzt anders?
Cate Blanchett: Eine interessante Frage. Mit 16 war ich öfter bei einer Freundin zu Besuch, deren Vater ein Opernfreund war. Beim Essen war absolute Stille, man hörte die Uhr ticken. Ich fragte naiv: Ihr hört doch Musik? Und sie sagten: Nein, wir hören keine Musik, wir nehmen an ihr teil! Musik ist nichts, was man im Hintergrund laufen lässt. Und nachdem ich für diesen Film wieder und wieder Mahler-Sinfonien studiert habe, höre ich jetzt einzelne Instrumente und andere Dinge, die ich früher nicht gehört habe.