Hamburg. Joachim Meyerhoffs tragikomischer Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ kommt jetzt ins Kino.
Seine älteren Brüder nennen ihn Wasserkopf. Und ziehen ihn damit so lang auf, bis er einen Anfall kriegt. Dann müssen ihn die Eltern auf die schleudernde Waschmaschine setzen, um ihn zu beruhigen. Und als der Ministerpräsident die kinder- und jugendpsychiatrische Anstalt Hesterberg besucht, will der Landesherr für ein Foto neben dem kleinen Joachim posieren. Weil der so verhaltensauffällig zappelt. Dabei ist er doch nur der Sohn des Direktors! „Ich bin nicht Psycho“, ruft Joachim immer wieder. Doch die anderen grinsen dabei nur.
Es ist keine einfache Kindheit, wenn man unter echten Psychos aufwächst. Weil Vater Richard Meyerhoff einen neuen, bahnbrechenden Ansatz weg von der Verwahrpsychiatrie, hin zur offenen Behandlung verfolgt, die eigene Familie aber mitten auf dem Anstaltsgelände lebt.
Schauspieler Joachim Meyerhoff verarbeitet Familiengeschichte
Der Schauspieler und Autor Joachim Meyerhoff hat immer wieder seine eigene Geschichte und die seiner Familie verarbeitet, in Büchern und Theaterprojekten („Alle Toten fliegen hoch“). Und das so klar und anschaulich, dass es nur eine Frage der Zeit war, dass es mal verfilmt wird. „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ hatte gerade erst Premiere auf der Berlinale. Und kommt nun nur wenige Tage danach schon in die Kinos.
Eine schräge Jugend, wo das Leben hinter den hohen Anstaltsmauern ein ganz anderes ist als davor. Wo die erste Liebe einer kleinen Selbstmordkandidatin gilt, deren zarte Keime aber an einem weiteren Suizidversuch scheitern wird. Aber nicht nur der kleine Joachim hat hier einen kleinen Hau. Auch Mutter Iris (Laura Tonke) fühlt sich fremd und falsch und sehnt sich in italienische Gefilde, wo sie einst glücklicher war. Stumm leidet sie, dass ihr Mann sie recht unverhohlen mit einer anderen Frau betrügt. Aber just bei Familienfesten brechen diese Narben auf. Dann schickt der Vater die drei Jungs auf ihre Zimmer, was diese indes ignorieren – und ihre auf dem Flokati heulende Mutter trösten.
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Drehbuchautor Lars Hubrich, der schon in „Rivale“ und der Romanadaption „Tschick“ von Jugendlichen unter Extrembedingungen erzählt hat, adaptierte Meyerhoffs autobiografischen Roman mit Regisseurin Sonja Heiss, die mit „Hedi Schneider steckt fest“ (auch mit Laura Tonke) schon einmal ein sehr einfühlsames Porträt über einen Menschen mit Störung gedreht hat.
Auch hier wirken die Bewohner der Psychiatrie teils viel menschlicher und liebenswürdiger als „die Gesunden“. Da ist zum Beispiel einer, der nicht spricht und sich nur durch Glocken, die er mit sich herumträgt, bemerkbar macht. Geht es Joachim nicht gut, nimmt dieser Mann ihn auf seine Schultern und trägt ihn. Überhaupt, betont Joachims Vater (Devid Striesow), mache so eine Unterscheidung keinen Sinn. Wenn seine Frau ihn bittet, doch einmal Freunde statt Psychiatriebewohner nach Hause einzuladen, entgegnet er: „Als ob die Henkels normal wären.“
Trotz morbider Momente ein oft sogar sehr komischer Film
Anders als im Roman, wo die Zeit gemächlicher fließt, gibt es hier zwei große Zeitsprünge – von der Kindheit in die Jugend und dann ins frühe Erwachsensein. Wobei die Eltern jeweils altern, die Kinder aber von verschiedenen Darstellern gespielt werden. Was aber sehr überzeugend gecastet wurde. Über die Jahre gibt es bei dieser Schicksalsfamilie noch manch andere Verletzung und Schicksalsschläge. Zuletzt aber auch schöne, wenngleich viel zu späte Versöhnungsgesten.
Trotz aller melancholischer bis morbider Momente ist dies ein ganz leichter und oft sogar sehr komischer Film. Der, bei allem schrägen Umfeld, eine frühe Form der Inklusion zeigt. Und eine Kindheit, die letztlich doch ganz harmonisch ist. Und eine Lehre fürs Leben gibt: die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Selbst wenn sie nie so waren.
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, 116 Min., läuft im Passage, Abaton, Holi, UCI Mundsb., Elbe, Koralle und Zeise