Hamburg. Katharina Thalbach und Sandra Quadflieg lasen aus dem Briefwechsel von Hannah Arendt und Mary McCarthy. Wiederholung am Montagabend.
Der Beginn ihrer Freundschaft ist durchaus holprig zu nennen. Als sich Hannah Arendt und Mary McCarthy in einer Bar in Manhattan 1944 erstmals über den Weg laufen, ist die gegenseitige Faszination sofort groß. Doch McCarthy lässt wenig später eine unglückliche Bemerkung über die Feindseligkeit der französischen Bürger gegenüber den deutschen Besatzern in Paris fallen. Und zieht sich den Zorn Arendts zu. Drei Jahre lang ignoriert man sich. Bis Arendt versöhnlich den Gesprächsfaden wieder aufnimmt und eine 25 Jahre währende Brieffreundschaft beginnt.
Sie führten einen erstaunlich offenen Dialog auf Augenhöhe
Katharina Thalbach und Sandra Quadflieg haben „Im Vertrauen: Briefwechsel 1949 bis 1975“ in einer Übersetzung von Ursula Ludz und Hans Moll als Hörbuch eingesprochen. Nun sitzen sie nebeneinander an zwei Tischen auf der Bühne des Altonaer Theaters, die zierliche drahtige Schauspiel-Legende aus Berlin und die Hamburger Schauspielerin.
Thalbach moduliert raffiniert mit ihrer blechern schnarrenden Stimme und trifft Arendts kluge Ironie auch mal mit koboldhaftem Witz. Quadflieg lässt ihr glockenhelles, manchmal sehr mädchenhaftes Organ erklingen, das die Emotionen der Journalistin McCarthy wie hingehaucht trifft. Und die Briefe, die sich die Philosophin und die im Alter von sechs Jahren verwaiste, von katholischen, evangelischen und jüdischen Vormündern aufgezogenen US-Journalistin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin schreiben, zeugen bald von größerer Gemeinsamkeit, von Zugewandtheit und Anteilnahme.
Hannah Ahredt und Mary McCarthy im erstaunlich offenen Dialog
Sie führen einen erstaunlich offenen Dialog auf Augenhöhe. Hannah Arendt – 1906 in Hannover als Kind jüdischer Eltern geboren, in Königsberg aufgewachsen – steckt in der Vorbereitung, den Eichmann-Prozess zu begleiten, ringt mit dem Denken und dem Schreiben philosophischer Schriften. „Wir erkennen einander an dem, was gefällt und nicht gefällt“, schreibt Arendt. McCarthy ist mit Ehemännern, Affären und Familienfragen beschäftigt. Aber auch mit dem Schreiben. 1962 erscheint ihr Erfolgs-Roman „The Group“ (Die Clique). Die Journalistin wird sich irgendwann von der Freundin vorerst verabschieden, es zieht sie nach Südvietnam, der dortige Krieg zwingt sie zum Handeln.
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Beide eint ein politisches Gewissen, eine Haltung, die sich im Denken und in Taten niederschlägt. In ihren stets herzlich endenden Briefen ersparen sich die beiden Frauen nichts. Bald muss Hannah Arendt den Tod ihres Ehemannes Heinrich Blücher verarbeiten. Nach Arendts Tod wird die sechs Jahre jüngere McCarthy ihre Nachlassverwalterin werden.
Die Poesie dieser so unterschiedlichen und doch einander so nahen Frauen berührt. Und wird bei Thalbach und Quadflieg aufs schönste hör- und fühlbar.
Lesung „Im Vertrauen“ 6.2., 19.30, Hamburger Kammerspiele, Hartungstr. 9-11, Karten an der Abendkasse, www.hamburger-kammerspiele.de