Hamburg. Neue Halle folgt ab 2025. Wie die Geschäftsführerin das Winterhuder Stadtteilkulturzentrum trotz Energiekrise sichtbar halten will.
An ihren ersten Termin im Goldbekhaus erinnert sich Katharina Behrens genau. Es war an einem Februartag vor fast exakt einem Jahr. Da hatte sie vor einem Auswahlgremium im größten Seminarraum im zweiten Stock des sogenannten Kontorhauses ihr Bewerbungsgespräch als Geschäftsführerin. Jetzt steht sie gleich nebenan in der Multifunktionshalle des 1981 eröffneten Winterhuder Stadtteilkulturzentrums. Seit Kurzem führt es die 46-Jährige allein; die Leitung hatte sie von Bernd Haß (65) übernommen. Er hatte das Haus am Goldbekkanal drei Jahrzehnte lang mitgeprägt, seit 2001 als Geschäftsführer.
Katharina Behrens steht auch für den Generationswechsel in einem der ältesten, größten und innovativsten Stadtteilkulturzentren Hamburgs. Das als eingetragener Verein organisierte Goldbekhaus gehört neben der Stiftung Kultur Palast Hamburg in Billstedt, der Wilhelmsburger Honigfabrik, dem Sasel-Haus und der Motte in Ottensen zu den Big Five der Stadtteilkultur. 28 institutionell geförderte Zentren zählen derzeit zum Dachverband Stadtkultur Hamburg.
Goldbekhaus gehört zu den Big Five der Hamburger Stadtteilkultur
Behrens hat zuletzt nicht nur ihr Terrain mit der im Jahr 2000 eröffneten zweiten kleinen Goldbekhaus-Bühne zum Hof (120 Sitzplätze, z. B. für Kleinkunst, Lesungen, Akustikkonzerte und die Fortsetzung der Reihe „Jüdische Klangspuren“) sondiert und die drei am Haus probenden Schauspielgruppen Bühnenlust, Die Herbst-Zeitlosen und das integrative Theater 36 kennen- und schätzen gelernt.
Sie hat den Austausch mit den 13 Festangestellten gesucht, deren Ideen aufgegriffen und außerhalb des Hauses „jeden Termin, der möglich war, wahrgenommen“. Netzwerken über den Bezirk Nord hinaus war und ist für die Neu-Hamburgerin unerlässlich. „Wir sind ein extrem menschenfreundliches Haus“, sagt sie, ohne dass es aufgesetzt klingt. Sie macht das etwa an der beliebten Disco-Reihe „Winterhuder Tanznacht“ fest, in der nach Corona auch Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenkommen.
Die Disco findet wie größere Konzerte am Wochenende in der alten Multifunktionshalle statt. Und die ist in Zeiten der Energiekrise ein Problem. Denn angehalten, mindestens 20 Prozent Energie zu sparen, sind bundesweit im Kulturbetrieb auch die Stadtteilkulturzentren.
Während der Umbauphase ist eine Interimsstätte geplant
Besserung versprechen Pläne für den Neubau eines neuen Veranstaltungsraums. Die Baukosten liegen offiziell bei 10,3 Millionen Euro, die auch Teil des Projektantrages vom Bezirksamt Hamburg-Nord an den Bund waren. Der Haushaltsausschuss in Berlin hatte bereits im Mai 2021 drei Millionen Euro bewilligt. Baubeginn soll nun Anfang 2025 sein. Der neue Bewegungsraum hat im Untergeschoss rund 100 Quadratmeter, daneben sind Umkleiden.
Und der neue Veranstaltungssaal im ersten Stock ist rund 200 Quadratmeter groß, bietet wahlweise 400 Stehplätze oder 220 Sitzplätze. Der Clou: Mit dem Bezirksamt hat das Architekturbüro Dohse und Partner verabredet, dass die maximal mögliche Dachfläche des Ersatzneubaus mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden soll.
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Der Abriss der bisherigen Halle ist für Anfang 2025 geplant. „So haben wir für das ganze Jahr 2024 Planungssicherheit“, freut sich Katharina Behrens. Sie hofft, dass die neue Halle mit dem rostbraunen Anstrich nach etwa zwei Jahren Bauzeit im Frühjahr 2027 fertig wird. Und während der Umbauphase planen Behrens und ihr Team eine Interimsstätte auf dem vorderen Parkplatz am Moorfurtweg, voraussichtlich mit großen Containern gleich über zwei Stockwerke.
Acht Zentren haben haben einen Generationswechsel in der Leitung vollzogen
In Containern hatte bereits das Kulturhaus Eidelstedt (ehemals Eidelstedter Bürgerhaus) gearbeitet, bis es im vorigen Sommer nach zweieinhalb Jahren Neu-und Umbau als Teil des kulturellen Treffpunkts „steedt“ wiedereröffnete. Seit Sommer 2022 energetisch und statisch saniert am Dach wird bei laufendem Betrieb das Sasel-Haus. So soll die Hamburgische Klimaschutzverordnung erfüllt und ein Drittel der Heizkosten im Jahr eingespart werden. Dazu kommt Fassadenerneuerung, die im Frühjahr abgeschlossen sein soll. Alles kostet rund drei Millionen Euro.
Generationswechsel in der Leitung vollzogen haben in jüngerer Vergangenheit bereits acht Zentren, etwa das Haus Drei in Altona und das Bürgerhaus Meiendorf (das in Rahlstedt liegt). In der Honigfabrik, im Bramfelder Kulturladen und in der Motte stehen sie bevor.
"Im Kampf um Talente und Fachkräfte ist die Stadtteilkultur schon lange nicht mehr konkurrenzfähig“
Im 1976 in Ottensen gegründeten Zentrum scheidet der langjährige Geschäftsführer Michael Wendt im Sommer aus. Zum 1. Juni sucht die Motte eine neue Geschäftsführung. Die Aufgaben umfassen mindestens zehn Punkte, reichen von strategischer und operativer Leitung und Weiterentwicklung, über Budgetverantwortung (derzeit 1,6 Mio. Euro), Personalverantwortung „in einem System flacher Hierarchien“ (30 feste Mitarbeitende) bis zur Organisation und Gestaltung der Zusammenarbeit mit den Vereinsgremien.
Die Bezahlung erfolgt nach TVL E 11. Nach der Lohn- und Entgelttabelle im öffentlichen Dienst entspricht das einem Monatsgehalt von 3600 bis 5400 Euro brutto. Auch wenn der Job Spaß machen soll, vergnügungssteuerpflichtig ist er gewiss nicht.
„Für die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses im Generationswechsel ist das sehr bitter, und es wirkt sich bereits jetzt aus. Im Kampf um Talente und Fachkräfte ist die Stadtteilkultur schon lange nicht mehr konkurrenzfähig“, konstatiert Corinne Eichner, Stadtkultur-Hamburg-Geschäftsführerin. Katharina Behrens und ihre Kolleginnen und Kollegen gehen die vielfältigen schwierigen neuen Aufgaben dennoch an. Wie so oft bei Kulturschaffenden mit viel Idealismus.
Im Goldbekhaus
Silvester 2021 hatte sie ihre Bewerbung für die Geschäftsführung des Goldbekhauses abgeschickt, wenige Wochen später bereits saß Katharina Behrens beim Bewerbungsgespräch im Winterhuder Stadtteilkulturzentrum. Im vorigen Sommer zog die 1976 in Wernigerode geborene Kultur-Managerin von Weimar nach Hamburg. In Thüringen hatte die studierte Medienwissenschaftlerin und gelernte TV-Aufnahmeleiterin ein Jahrzehnt lang in der Geschäftsführung des Nationaltheaters Weimar mitgearbeitet.
Dass ihre Schwester schon in Hamburg lebte sowie ihre Affinität zum Wasser haben der 46-Jährigen den Wechsel leicht gemacht. Zudem wisse sie, „wie man Förderanträge stellt“, verweist sie lächelnd auf einen Aspekt ihrer Arbeit. Ein zweiter, das Netzwerken, hat die passionierte Radfahrerin, Horrorfilm-Freundin und Bald-wieder-Kajakfahrerin aus der Jarrestadt schon in diverse andere Stadtteilkulturzentren und Theater geführt. Kürzlich sogar ins Ohnsorg zu „De leven Öllern“. Die hochdeutschen Übertitel habe sie fast gar nicht gebraucht, sagt sie stolz. Ihr Lieblingswort übrigens lautet „bummelig“. Dabei ging das mit Hamburg doch sehr fix.