Hamburg. Dimitrij Schaad ist Schauspieler, Alex Schaad Regisseur. Jetzt kommt ihr gemeinsamer Film “Aus meiner Haut“ ins Kino.
Gerade erst war Dimitrij Schaad in Hamburg zu Gast, um am St. Pauli Theater den Ulrich-Wildgruber-Preis entgegenzunehmen. Schaad ist Schauspieler und Bühnenautor, bis 2019 spielte der 37-Jährige im Ensemble des Gorki-Theaters und wurde mit den Verfilmungen der „Känguru-Chroniken“ auch im Kino populär.
Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Alex Schaad studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film in München Regie. Sein erster Kurzfilm „Invention of Trust“ gewann 2016 beim Max-Ophüls-Preis – und den Studenten-Oscar in Gold, sein zweiter Kurzfilm „Endling“ gleich noch einen Ophüls-Preis. Immer mit dabei: Bruder Dimitrij, der mit ihm das Drehbuch schrieb und als Schauspieler mitwirkte.
"Aus meiner Haut" der Schaad-Brüder: Hoch spannendes Kopfkino
Nun haben die beiden ihren ersten gemeinsamen Langfilm gedreht: „Aus meiner Haut“ ist ein Science-Fiction-Film der anderen Art. Keine visuellen Effekte, aber hoch spannendes Kopfkino: In einer nahen Zukunft ist es möglich, in andere Körper zu reisen. Was für ein junges Paar weitreichende Folgen hat. Uraufgeführt wurde der Film auf dem Filmfestival von Venedig, erhielt dort den Queer Lion sowie weitere Preise in Sevilla und Paris. Am 2. Februar kommt er in die Kinos. Wir sprachen dazu mit den beiden Brüdern.
Brüder sind ja nicht immer beste Freunde, vor allem wenn einige Jahre dazwischenliegen. Wie eng, wie dick sind Sie miteinander?
Alex Schaad: Ich liebe es mit uns. Es ist das Tollste auf der Welt, mit einem Menschen zusammenzuarbeiten, mit dem man eine Geschichte teilt. Eine Geschichte, die ein Leben lang andauert. Dimi kennt mich, meine Stärken und Schwächen besser als jeder andere. Irgendwann fingen wir an, einen ähnlichen Humor, ähnliche Emotionen zu entwickeln. Das ist unheimlich bereichernd. Und eine Ressource, aus der man schöpfen kann.
Dimitrij Schaad: Das zeigt sich gerade an Tagen wie heute. Gleich ist die Berlin-Premiere unseres Films. Deshalb bin ich hypernervös und fühle mich latent überfordert. Aber Alex gibt mir eine Ruhe, die mir sonst keiner geben könnte. Das ist neben allem Professionellen der menschliche Benefit, eine unerschütterliche Säule in meinem Leben.
Sie beide sind in Kasachstan geboren und kamen mit Ihren Eltern vor 30 Jahren nach Deutschland. Verbindet das noch mehr, als Kind in ein fremdes Land zu kommen, dessen Sprache Sie nicht kannten? Wo Sie erst einmal als Außenseiter gesehen wurden?
Dimitrij Schaad: Mit Sicherheit hat uns die Erfahrung, gemeinsam in der Fremde zu sein und nur im engsten Familienkreis verstanden zu werden und nur hier eine Sicherheit und Geborgenheit zu spüren, noch enger aneinandergeschweißt.
Dimitrij, Sie arbeiten als Schauspieler und Bühnenautor, und Sie, Alex, haben schon Filme ohne Dimitrijs Beteiligung inszeniert. Aber zusammen haben Sie mit Ihren Kurzfilmen zwei Max-Ophüls-Preise und einen Studenten-Oscar gewonnen und jetzt folgte für „Aus meiner Haut“ auch ein Queer Lion in Venedig. Sind Sie am stärksten im Tandem?
Alex Schaad: Es geht so auf jeden Fall am tiefsten. Ich arbeite auch gern mal mit anderen. Das ist wie Urlaub, weil die mich nicht so sehr fordern wie Dimi. Meine Leistung ist dann aber auch nicht so gut. Wenn mir Themen wirklich wichtig sind, könnte ich mir nicht vorstellen, sie ohne ihn zu machen.
Dimitrij Schaad: Geht mir genauso. Mit anderen kommt man schneller voran. So easy ist es bei uns selten. Wir haben einfach einen Hang zu masochistischem Perfektionismus. Wir sind beide unserer Arbeit gegenüber gleichermaßen misstrauisch. Wenn diese Energien zusammenfließen, hinterfragt man sich viel mehr, es ist zäher, aber man bohrt auch immer etwas tiefer.
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Sie wohnen in Berlin und München. Wie darf man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? Gehen Sie für eine Zeit in Klausur oder ist das ein permanenter Austausch per Telefon oder Skype?
Alex Schaad: Wir sind sehr eng, telefonieren mindestens einmal am Tag, fahren mindestens einmal im Jahr zusammen in Urlaub. Schon wenn wir über andere Filme sprechen, kommen wir unseren eigenen Stoffen näher. Das ist wie ein Fundus. Und wenn wir an einem Projekt sitzen, tauschen wir uns permanent aus. Da gibt es gesündere und ungesündere Phasen.
Dimitrij Schaad: Wir versuchen es jetzt aber mal gesünder. Weil es schwierig ist, so was zwischen andere Projekte zu pressen, und länger dauert, bis man sich eingroovt, ziehen wir uns für drei Wochen aufs Land zurück. Und versuchen mal ganz ohne Handy, ohne andere Menschen oder Ablenkungen herauszufinden, was wir als Nächstes machen wollen.
Es gab bei „Aus meiner Haut“ zahllose Drehbuchfassungen. Und Momente, wo andere vielleicht die Freundschaft oder Arbeitsbeziehung beendet hätten. Brauchen Sie auch mal Funkstille und Abstand?
Dimitrij Schaad: Richtige Abstandsphasen gab es bei uns nie. Dafür sind wir auf zu vielen Ebenen miteinander verbunden. Und wenn’s bei einer Sache knirscht, haben wir ja noch andere Projekte parallel ...
Alex Schaad: ... und auch wenn‘s mal bei allen knirscht, müssen wir trotzdem darüber reden, was Mutter zum Geburtstag bekommt (beide lachen).
Drehbücher entwickeln Sie gemeinsam. Wie ist das aber bei den Dreharbeiten? Kann der Schauspieler Dimitrij Schaad sich da zurücknehmen und hört auf seinen Regisseur Alex Schaad? Oder redet er ständig rein?
Dimitrij Schaad: Das ist weiterhin vielschichtig komplex. Ich sage bewusst nicht „kompliziert“, denn das ist es nicht. Aber es ist ein komplexer Vorgang und hat viel mit Loslassen zu tun. Als Schauspieler will ich grundsätzlich viel mitreden und mitgestalten. Manchmal sollte ich Alex da mehr vertrauen, vor allem, weil ich sehr liebe, wie er Regie führt und mit Schauspielern umgeht. Aber da ist auch immer meine Position als Autor – da vermischen sich viele Ebenen, und das bringt Alex natürlich in blöde Situationen, auch vor den anderen. Am schönsten ist immer, wenn die Aufgaben klar getrennt sind. Ich liebe es, wenn ich im Schnitt dabei sein darf und um Rat gefragt werde – als erster Zuschauer und sonst nichts. In der Phase geht den meisten ja der Atem aus, aber auf den letzten Kilometern dieses Marathons kriegt Alex immer einen Lauf, den ich sehr besonders finde.
Alex Schaad: Dimi ist ein fordernder Schauspieler. Und das finde ich großartig. Vielleicht ist das auch der Masochismus, von dem Dimi gesprochen hat. Ich habe nichts davon, wenn ich einem Schauspieler etwas vorschreibe, was er nicht versteht. Dimi hat aber ein unglaublich präzises Bauchgefühl dafür, ob was funktioniert. Und wenn er sich einer Sache widersetzt, hat er zu 97 Prozent recht. Auch wenn mich das manchmal beim Drehen ärgert, sitze ich später am Schnitt und sage: Gott sei Dank hat er nicht auf mich gehört. Es ist aber wichtig, diesen Vorgang als Teil der Arbeit zu begreifen.
Nun wird ja gerade viel über Gender diskutiert, werden tradierte Rollen- und Geschlechtsbilder hinterfragt. Kommt der Film da genau zur rechten Zeit?
Dimitrij Schaad: Als wir zu schreiben begannen, war die Debatte noch nicht so Mainstream. Wir können also nicht sagen, dass das beabsichtigt war. Aber wir können schon sagen, dass wir gespürt haben, dass da was relevant wird. Und da war die Lust, diesen Diskurs noch weiterzuspinnen, noch universeller zu denken – in Richtung Post- und Transhumanismus, also der Fähigkeit, irgendwann unsere Hirne auf einer Cloud upzuloaden, und was das mit uns machen würde. Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir die Chance, die Menschheit an sich anders zu denken. All diese Themen über Identität und die unvorstellbaren Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Menschseins im 21. Jahrhundert, das wollten wir aufarbeiten. Aber spielerisch, nicht essayistisch. Fasse ich das richtig zusammen?
Alex Schaad: Absolut. Treffend.
„Aus meiner Haut“ startet am Donnerstag, zu sehen im Abaton und im Koralle. Am 3.2. (18 Uhr) sind Alex und Dimitrij Schaad zu Gast im Abaton.