Hamburg. Hamburgs große Sprechbühnen sind diesmal nicht mit Inszenierungen dabei. Bochum und Wien dafür gleich doppelt.

Im vergangenen Jahr waren das Thalia Theater und das Deutsche Schauspielhaus noch mit je einer Inszenierung zum Theatertreffen bei den Berliner Festspielen eingeladen, diesmal gehen die beiden Hamburger Staatstheater leer aus. Die siebenköpfige Jury hat sich zwischen Februar 2022 und Januar 2023 461 Stücke in 58 Städten angesehen, 33 davon wurden diskutiert.

Die nach Einschätzung der Jury zehn „bemerkenswertesten Inszenierungen“, so Intendant Matthias Pees, wurden ausgewählt und werden zwischen dem 12. und dem 28. Mai bei der 60. Ausgabe des Theatertreffens gezeigt. Mit Florentina Holzingers Performance „Ophelia’s Got Talent“, zur Saisoneröffnung an der Volksbühne Berlin uraufgeführt, gibt es allerdings eine Hamburger Beteiligung. Kampnagel hat das Stück koproduziert und wird es beim Sommerfestival zeigen.

Kampnagel-Produktion zu Theatertreffen bei den Berliner Festspielen eingeladen

Unter den ausgewählten Regisseuren sind in Hamburg wohlbekannte wie Antù Romero Nunes, der lange am Thalia gearbeitet hat und nun das Theater in Basel leitet. Im Dezember hat er an seiner Bühne Shakespeares „Sommernachtstraum“ inszeniert und die Komödie in ein Lehrerzimmer verlagert. Der „Sommernachtstraum“ ist wohl eines der meistgespielten Stücke von schulischen Theater-AGs, Nunes nimmt das auf und tut so, als mache er Laientheater. Mit seinem starken Ensemble, darunter Gala Othero Winter (einst Schauspielhaus) und Sven Schelker (Thalia), wird aus diesem Spiel im Spiel im Spiel ein komisches Theaterfest.

Regisseur Philipp Stölzl hat gerade am Schauspielhaus Finegan Kruckemeyers Öko-Drama „Der lange Schlaf“ auf die Bühne gebracht. Zum Theatertreffen reist er im Mai mit seiner Inszenierung von Matthew Lopez’ „Das Vermächtnis“, aufgeführt vom Residenztheater München. Fast sieben Stunden dauert das Stück über eine Gruppe schwuler Männer in New York. Lopez hat für sein Stück so ziemlich alles an Preisen abgeräumt, was es in den USA zu gewinnen gab.

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb über die Inszenierung: „Ein Abend der Schauspieler, die das Publikum mit Leichtigkeit durch die zwei Teile tragen oder eher: mitreißen.“ Ebenfalls aus München von den dortigen Kammerspielen kommt ein Ibsen-Werk: Felicitas Brucker hat „Nora“ mit Katharina Bach in der Titelrolle als Thriller in Szene gesetzt.

Zweimal sind das Wiener Burgtheater und das Schauspielhaus Bochum nominiert

Auch Sebastian Hartmann kann auf eine Hamburger Zeit zurückblicken. Zwischen 2001 und 2005 war er Hausregisseur am Deutschen Schauspielhaus unter Intendant Tom Stromberg. Jetzt ist ihm am Deutschen Theater Berlin ein ungewöhnlicher Liederabend gelungen. Ausgangspunkt ist ein philosophisches Traktat, das Max Stirner 1844 geschrieben hat. Zusammen mit dem Komponisten PC Nackt hat Hartmann aus „Der Einzige und sein Eigentum“ Textpassagen herausgenommen und lässt sie singen, sprechen oder loopen. Daraus wird eine höchst unterhaltsame Revue über Stirners Dialektik von Ich, Recht und Gesellschaft.

Zweimal sind das Wiener Burgtheater und das Schauspielhaus Bochum nominiert. Aus Wien kommen Lucia Bihlers Umsetzung von Maria Lazars Roman „Die Eingeborenen von Maria Blut“ und die Uraufführung von Handkes „Zwiegespräch“ (Inszenierung Rieke Süßkow).

Das holländische Kollektiv De Warme Winkel hat in Bochum mit „Der Bus nach Dachau“ eine Erinnerungsfahrt in die NS-Zeit produziert, und auch eine Bearbeitung von Gorkis „Kinder der Sonne“ durch Mateja Koležnik ist dabei. Aus Dessau schließlich kommt mit Philipp Preuss’ Bearbeitung des „Hamlet“ ein weiterer Klassiker zum Theatertreffen 2023.