Hamburg. Der bekannte Kabarettist gastierte mit Jahresrückblick „Schluss Jetzt!“ erstmals solo in der ausverkauften Laeiszhalle.

Gewiss, Kabarett ist kein Wunschkonzert und sollte es auch im neuen Jahr nicht werden. Wenn jedoch Florian Schroeder am Ende seines Mammut-Jahresrückblicks „Schluss Jetzt!“ seine Parodie-Jukebox anwirft, weiß das Publikum allerspätestens, was beste Live-Satire ausmacht. Als Zugabe imitierte der fernsehbekannte Künstler auf Zuruf spontan Prominente von gestern und heute, fast immer mit gehaltvollen Texten.

Als Letzte Angela Merkel. „Wenn Sie merken, was der Olaf Scholz alles nicht sagt, werden Sie mich noch mal richtig vermissen“, bemerkte Schroeder im typischen Tonfall und mit Mimik der Alt-Kanzlerin. Dann war unter begeistertem Beifall nach gut drei Stunden inklusive Pause auf der Bühne Schluss mit lustig. In der ausverkauften Laeiszhalle hatte Florian Schroeder erstmals solo den Großen Saal gerockt.

Laeiszhalle: Florian Schroeder wirft Parodie-Jukebox an – viel Spott für Scholz

Als er 2017 mit dem früheren Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aus Hamburg eine unkonventionelle satirische Koalition für eine kurze Sommer-Tournee gebildet hatte, waren in der Laeiszhalle noch einige Plätze frei geblieben. Doch nun weiß auch Schroeder, dass seine Mischung aus durchdachter Analyse der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, basierend auf genauer Beobachtung, gewürzt mit Zynismus, Humor und Parodie in der Hansestadt im großen Rahmen wirkt, ohne dass sie zu Arena-Comedy verkommt.

Und so erinnerte Schroeder am Ende gern daran, dass er vor 20 Jahren bei der Geburtstags-Gala von Alma Hoppes Lustspielhaus mit knapp 20 Minuten Material seinen ersten hiesigen Auftritt hatte. Im Kabarett-Theater in Eppendorf hatte er im Vorjahr noch zweimal unter 2G-Bedingungen „Schluss Jetzt!“ mit 2021 gemacht.

Florian Schroeder bringt „ultimatives Spaß-Entlastungspaket“ mit

Auch beim aus dem Off als „ultimatives Spaß-Entlastungspaket“ angekündigten Rückblick auf 2022 bediente sich der 1979 in Lörrach geborene Wahlberliner einer großen Leinwand, auf der nicht nur der Trailer mit den Themen seiner Kabarett-Show angespielt wurde, sondern mehrmals Ausschnitte von Fernsehsendungen, kleinen und großen Aufregern des vergangenen Jahres.

Putin (auch bei seiner Rede 2001 im Deutschen Bundestag), Kanzler Scholz und die „Zeitenwende“, Oppositionsführer Merz, die Grünen, Lindner und die peinliche bis lachhafte Berichterstattung über dessen Hochzeit auf Sylt bei Bild-TV bis hin zu den „Klima-Klebern“ der Letzten Generation – Schroeder sparte kaum etwas aus.

„Berufs-Linker, ein Robin Hood, getarnt im Anzug eines Unternehmensberaters“

Ausführlich und wortmächtig beschäftigte sich Schroeder im ersten Teil mit dem Krieg in der Ukraine und den Auswirkungen auf die deutsche Politik nach dem 24. Februar. Als „Berufs-Linker, ein Robin Hood, getarnt im Anzug eines Unternehmensberaters“, so der Kabarettist selbstironisch, habe er sich zwar auch gefragt, ob die 100 Milliarden Euro statt für die Bundeswehr nicht besser für Bildung, Kultur und die Pflege ausgegeben werden könnten.

Denn dort sollte gelten „Leistung muss sich wieder lohnen“. Jedoch machte Schroeder seine Haltung deutlich, dass die Ukraine das Recht haben muss, sich gegen den Angriff eines brutalen Diktators zu verteidigen. Und er dem offenen Brief deutscher Intellektueller mit Alice Schwarzer an der Spitze wenig abgewinnen konnte. Treffender Spott für den Biologen Anton Hofreiter, den „Waffen-Narren“, der es nicht mal geschafft habe, „die Julia Klöckner der Grünen“ zu werden, paarte sich mit Zynismus bei Vergleichen von Putin zu Hitler über Landeroberungen hart an der Geschmacksgrenze.

Feiner da schon Schroeders Abrechnung mit der sogenannten Cancel Culture und Begriffen wie Anti-Rassismus, verbunden mit Medienkritik. Ob manches nicht von „Journalisten mit zu viel Tagesfreizeit“ angezettelt werde, fragte Schroeder. „Weiße machen weiße Musik, und Schwarze machen schwarze Musik, das kann nicht das Ziel kultureller Aneignung sein“, so sein Fazit.

Der Deutschen (heimlicher) Wunsch nach Monarchie

Thema Ausland: Nach dem Abschied von der Queen habe sich in Großbritannien gezeigt, dass selbst ein „Langzeitarbeitsloser mit 73“ dort noch einen Job finden könne, ätzte der Kabarettist. Übertragen auf Deutschland und den (heimlichen) Wunsch nach der Monarchie ließ er nochmals das Traumpaar Franca Lehfeldt/Christian Lindner einspielen – mit dessen Konterfei in der Serie „Chrissie“.

Unworte wie „Wumms“ und „Doppel-Wumms“ haben es Schroeder ebenso wenig angetan wie deren Erfinder Olaf Scholz. Stattdessen erwähnte der Kabarettist das Verb „scholzen“ als Synonym dafür, „zu reden, ohne was zu sagen“.

Und bezogen auf die von Scholz protegierte Beteiligung einer chinesischer Reederei an einem Terminal im Hamburger Hafen stellte Schroeder süffisant eine provokante neue Parallele zu Gerhard Schröder auf: „Was dem einen sein Gazprom, wird dem anderen sein Cosco ...“ Wie schändlich, ja bewusst fahrlässig auch ein CDU-Mann wie Merz mit der Sprache umgeht, zeigte Schroeder per Einspieler mit dessen Verwendung des Begriffs „Sozialtourismus“ – er war 2013 erstmals von der NPD benutzt worden.

Laeiszhalle: Florian Schroeder kroch in Rolle von Markus Lanz

Schroeder spannte den Bogen von Sprachkritik über Philosophie zu Social Media. Dass er in natura mehr denn je ein Erlebnis bietet, zeigte er bei Parodien auf Karl Lauterbach (Motto: „Wenn der Minister spricht, muss der Experte schweigen“) und Robert Habeck.

Und zum Ende kroch Schroeder auf dem Ledersessel mit jeder Bewegung förmlich mehr in die Rolle des Markus Lanz hinein – Beifall und Lacher allein dafür. Da hatten Annalena Baerbock, Joe Biden, Boris Becker und TV-Koch Johann Lafer noch gar nicht ihren Senf dazu gegeben. Das Nachspiel gab Schroeder schließlich im Foyer am Merchandising-Stand inklusive Selfies. Ein Satire-Profi anno 2023.

Florian Schroeder: ,,Neustart“ 21. und 22.9.., jew. 20.00, Lustspielhaus: Karten: www.almahoppe.de