Hamburg. „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ erzählt die Geschichte des vor zehn Jahren gestorbenen Weltstars.

Am Anfang ihrer Karriere wird sie nach ihrem Traum gefragt. „Mein Traum?“, entgegnet sie: „Singen, wie ich singen will. Sein, wie ich sein will.“ Ersteres sollte sich für Whitney Houston unbedingt erfüllen. Sie hatte eine Stimme aus Gold, wurde zur größten Soulstimme ihrer Zeit, verkaufte mehr als 200 Millionen Tonträger, überflügelte damit die Beatles und Elvis und gewann allein sechs Grammys. Zweiteres aber gelang ihr nie: Sie konnte nie ihr eigenes Leben leben. Die große Tragik von Whitney Houston, die vor zehn Jahren im Alter von nur 48 Jahren starb, in einer Badewanne, in der sie, von Drogen berauscht, ertrank.

Nun kommt am heutigen Donnerstag ein Film ins Kino, „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“, der noch einmal ihr Leben aufblättert. Und die Frage nach ihrem Traum stellt. Singen, wie ich singen will: Damit sticht die junge Whitney (Naomi Ackie) schon aus dem Chor ihrer Mama, der bekannten Sängerin Cissy Houston (Tamara Tunie), hervor. Damit weckt sie auch das Interesse des legendären Musikproduzenten Clive Davis (Stanley Tucci). Der heuert die besten Songwriter für sie an. Es ist hübsch mitanzusehen, wie die beiden die Demo-Tapes anhören und Kassette um Kassette in den Recorder legen. Immer wieder schüttelt Whitney den Kopf. Bis sie auf einen Titel stößt, von dem sie meint, daraus könne sie vielleicht etwas machen. „Vielleicht?“, meint Davis trocken: „Es muss ins Ohr gehen.“ Whitney lächelt leise. „Das kriege ich hin.“ Und schon hört man den Song, der ihr zweiterfolgreichster werden wird. Und auch dem Film seinen Namen gibt.

Sein, wie ich sein will: Das wird ihr von Anfang an verwehrt. Das fängt schon beim Äußeren an. Sie trägt ihr Haar kurz, ihr strenger Vater John Houston (Clarke Peters) aber zwingt sie, es lang zu tragen. Weil sie eine Prinzessin, weil sie America’s Sweetheart werden soll. Die Tochter fügt sich auch sonst – selbst wenn es um ihr Liebesleben geht. Eigentlich liebt sie eine Frau, Robyn Crawford (Nafessa Williams). Aber die mögen ihre Eltern nicht. Und Gerüchte um eine gleichgeschlechtliche Liebe würden der Karriere schaden. So wird Robyn als beste Freundin ausgegeben – und ihre Managerin. Whitney geht mit Männern aus. Und gerät schließlich an den ungestümen R&B-Sänger Bobby Brown (Ashton Sanders). Der Daddy und der Gatte: zwei Männer, die ihr Geld ausgeben. Und so leben, wie sie wollen. Die aber Whitney immerzu vorschreiben, was sie zu tun hat. Und sie damit in die Drogensucht treiben.

Whitney Houston: Unvergleichliche Stimme, trauriges Leben

Kasi Lemmons’ Filmbiografie ist sehr konventionell und beginnt auf dem Höhepunkt von Whitneys Karriere, 1994 bei der Verleihung der American Music Awards. Dann aber fährt der Film auf den Anfang zurück und durchblättert brav chronologisch die Vita. Wobei der Filmverleih mit dem Slogan wirbt: „Entdecke die Whitney, die du nie gekannt hast.“

Das Problem des Films ist, dass man Whitney eher zu gut kennt. Die Drogenexzesse und das Auf und Ab ihrer Ehe hat man damals schon in den Schlagzeilen verfolgt. Den traurigen Tiefpunkt ihrer Karriere konnten Fans auch in Deutschland erleben, als Houston auf ihrer Welttournee 2009 mehrfach die Stimme versagte. Und es gibt auch gleich zwei große Dokumentarfilme, „Whitney: Can I Be Me“ (2017) und „Whitney – Die wahre Geschichte einer Legende“ (2018), die das tragische Leben dieser Ausnahmekünstlerin erzählen.

Whitney Houston: Erzählt wird ein Leben nur als Auschnitt

Das Genre des Biopic ist ja eigentlich längst weiter. Erzählt wird ein Leben nur als Ausschnitt, etwa vom Ende her, wie „Judy“ (2019) über Judy Garland. Oder aus der Sicht eines Managers, der seinen Star ausbeutet wie in „Elvis“ (2022).

Von solchen Perspektiven aber ist Bestsellerautor Anthony McCarten weit entfernt. Wie schon „Bohemian Rhapsody“ (2019) verfolgt er auch in diesem Drehbuch sein Sujet ganz altmodisch. Und wie jener Freddie-Mercury-Film von der Gruppe Queen produziert wurde, ist bei diesem hier die Schwägerin Pat Houston beteiligt, die am Ende Whitneys Managerin war. Allzu viel Kritik am engeren Umfeld ist da nicht zu erwarten.

Und doch sieht man über all dies hinweg. Denn der Film wird getragen von der umwerfenden Naomi Ackie. Die britische Schauspielerin kennt man bisher nur aus kleineren Rollen, hier aber gibt sie eine beeindruckende Leistung und verschmilzt ganz mit dem Idol. Auch wenn sie natürlich nicht selbst singt, weil man das Stimmwunder, das drei Oktaven umfasste, kaum nachahmen kann – die Entwicklung vom jungen, aufstrebenden Mädchen über die reife Künstlerin bis zum späten, ausgebrannten Wrack gelingt bravourös.

So möchte man Whitney Houston in Erinnerung behalten

Und so geht man mit und durch diese Naomi Ackie noch mal alle Stationen dieses Lebens durch. Fast alle: Der tragisch-banale Tod in der Wanne bleibt dem Zuschauer erspart. Stattdessen sieht man, wie Whitney Houston 2009 in der „Oprah Winfrey Show“ auftritt, zu alter Kraft findet und „I Didn’t Know My Own Strength“ singt. Auch hier hält sich Drehbuchautor McCarten an sein Erfolgsrezept von „Bohemian Rhapsody“ und endet mit einer langen Sequenz eines späten Erfolgs. Aber das nimmt man dankbar an. Denn so möchte man Whitney Houston in Erinnerung behalten.

„Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ 145 Minuten, ab 12 Jahren, läuft in der Astor FilmLounge, im Cinemaxx Dammtor, Elbe, Koralle, Passage, Studio, UCI Mundsburg/Othmmarschen/Wandsbek