Hamburg . Das Ensemblemitglied am Thalia Theater bekommt am Sonntag den Boy-Gobert-Preis überreicht. Die Auszeichnung ist überaus verdient.
Die Nachricht, dass er den diesjährigen Boy-Gobert-Preis bekommen werde, erreichte Johannes Hegemann in einem Berliner Hotelzimmer, wo er während der Zeit seiner ersten Dreharbeiten für einen Film wohnte. „Ich war gerade mit ganz anderen Sachen beschäftigt. Dann kam dieser Anruf. Das hat sich ein bisschen unwirklich angefühlt.“ Natürlich habe er sich sehr gefreut. Der nächste Gedanke: „Oh, dann steht ja die Vorbereitung der Preisträger-Matinee an.“
Die Verleihung der mit 10.000 Euro dotierten Auszeichnung der Körber-Stiftung für den schauspielerischen Nachwuchs findet am 27. November ab 11 Uhr im Thalia Theater statt, und das Programm wird traditionell von dem Preisträger ausgerichtet. Hegemann hat dafür gerade eigentlich gar keine Zeit, steckt er doch mitten in den Endproben mit Kirill Serebrennikov zur Uraufführung von „Der Wij“ am 3. Dezember im Thalia in der Gaußstraße. Außerdem hat er natürlich auch viele Repertoire-Vorstellungen zu spielen.
Johannes Hegemann bekommt Boy-Gobert-Preis überreicht
Die Auszeichnung ist überaus verdient. Denn Hegemann ist, seit er in der Saison 2020/21 zum Ensemble des Thalia Theaters stieß, einer, der auffällt. Entsprechend wurde er bei der jährlichen Umfrage der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsschauspieler des Jahres gekürt. Vor allem für seine Rolle als biegsamer Rezeptionist in Toshiki Okadas „Doughnuts“. Alle Darsteller einer im Hotel gestrandeten Gruppe von Konferenzteilnehmern versehen ihre Textzeilen darin mit sehr körperlichen, sehr tänzerischen Bewegungen. Was Hegemann in diesem Stück als eine Art allwissender ruhender Pol abliefert, ist originell – und bisweilen auch sehr komisch.
Kein Wunder, dass die Boy-Gobert-Preis-Jury nun seine „unaufdringliche Vielseitigkeit“ rühmt, ihm eine „physische Vehemenz“ bescheinigt. „Ich würde mich selbst nicht als typischen Körperspieler beschreiben, aber das zeichnet schon die Produktionen aus, in denen ich am Thalia Theater bisher gespielt habe“, sagt Johannes Hegemann. An diesem Novembernachmittag wirkt der 25-Jährige entspannt, geradezu jungenhaft unbekümmert. Für „Doughnuts“ musste er einen unsichtbaren sogenannten „Imaginationspfad“ mitlernen, der mit dem Text verknüpft ist, aber ihn eben nicht illustriert, sondern abstrakt verläuft.
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Das verlangte eine aufwendige Vorbereitung. Vor jeder Vorstellung geht Hegemann deshalb mit der Souffleurin den Text noch einmal durch. „Ich war total neugierig und hatte Lust, diese Spielart zu erforschen“, berichtet er. „Wir haben total gesucht, wie man da einen Charakter findet und nicht nur eine Methode zeigt.“ Aber, so gibt er zu: „Zwischendurch haben wir auch mal gezweifelt.“
Auffällig war Hegemann auch schon in Kornél Mundruczós „Krum“
Auffällig war Johannes Hegemann auch schon in Kornél Mundruczós „Krum“. Mit dem Charakter eines lustfixierten, italienisch sprechenden Gigolos habe er am Anfang etwas Mühe gehabt, räumt er ein. „Ich habe dann versucht, es ins Übertriebene zu ziehen.“ Auch das ist ihm gelungen, und zwar so, dass es nicht unpassend wirkt. „Ich habe noch nicht so enge Arbeitsbeziehungen, deshalb bin ich da sehr offen für alles“, sagt Hegemann.
Das betrifft Stefan Puchers schillernde „Maß für Maß“-Inszenierung, in der er einen glamourösen Claudio gab. Oder auch Anne Lenks „Räuberhände“, in dem er die Hauptrolle kurzfristig von Bekim Latifi übernahm und rasch mithilfe von Videos in die Inszenierung hineinfinden musste. „Es ist toll, wenn man eine Hauptrolle so groß spielen kann, aber ich erarbeite und erprobe mir das natürlich lieber selbst. Die Zeit mit den Kollegen, also das, was Spaß macht, ist da weggefallen.“ Jetzt aber fühle es sich wie sein Abend an.
Das Theater ergriff ihn vollends
Als Kind winkte der in Jena geborene und in Zürich aufgewachsene Johannes Hegemann lieber dankend ab, wenn seine Eltern, ein Ärztepaar, ihn mit ins Theater nehmen wollten. Doch durch erste Erfahrungen im Schultheater und später im Jugendclub der Schule konnte er diese Welt schließlich für sich entdecken. Mehr noch: Das Theater ergriff ihn vollends.
Für die Bewerbung an der Schauspielschule in Zürich, an der er sofort angenommen wurde, bereitete Hegemann sich auf eigene Faust in seinem Kinderzimmer vor. „Ich probiere gerne aus, hoffe immer auf Leute zu treffen, mit denen ich etwas Cooles erarbeiten kann“, sagt er. „Das ist der große Spaß“. Weniger Freude bereitet ihm das Textlernen.
„Das ist Fleißarbeit, sie muss geschehen. Das ist wie Hausaufgaben erledigen.“ Die Ausbildungszeit hat er sehr genossen. Bis er irgendwann fortwollte aus Zürich. Die Stadt sei zu eng, zu klein, zu behütet und zu sauber gewesen. Den zweiten Teil der Ausbildung absolvierte er in Rostock. Früh stand für ihn fest, dass er Teil eines festen Stadttheater-Ensembles sein wollte.
Bereut hat er die Entscheidung für Hamburg bislang nicht
Dem Regisseur Jan Bosse, der ihn in einem Schauspielwettbewerb sah, ist es zu verdanken, dass er ans Thalia Theater für ein Vorsprechen empfohlen wurde. Parallel hatte er noch eine Zusage vom Berliner Ensemble. Bereut hat er die Entscheidung für Hamburg bislang nicht. Nach einigen Stückentwicklungen habe er jetzt allerdings „richtig Bock auf einen Klassiker“, sagt Hegemann. Da trifft es sich gut, dass er im nächsten Frühjahr in Jan Bosses „König Lear“ auf der Bühne steht.
Die zehnwöchigen Proben mit Kirill Serebrennikov seien im Augenblick anstrengend und körperlich sehr fordernd, sagt Hegemann, auch weil hier russische, ukrainische und deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler beteiligt sind. Der Druck, der auf der Produktion wegen dieser Konstellation auch von außen laste, sei spürbar. Für Hegemann ist es dennoch eine willkommene Herausforderung.
Tanzen wird Johannes Hegemann an diesem Vormittag nicht
Unlängst stand er neben Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“) für Andreas Dresens Kinofilm „In Liebe, eure Hilde“ vor der Kamera. „Das ist eine andere Art von Konzentration. Man muss innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig genau und kontrolliert sein. Im Theater hat man einen längeren Bogen, kommt leichter in einen Flow, der einen durch den Abend trägt.“
Bei der Vorbereitung für die Boy-Gobert-Preis-Matinee hilft ihm nun der Autor und Regisseur Sören Hornung, mit dem er in Schwerin schon zusammengearbeitet hat. Noch steht nur ein grobes Gerüst. Aber eines kann man schon verraten, tanzen wird Johannes Hegemann an diesem Vormittag nicht.
Verleihung des Boy-Gobert-Preises So 27.11., 11 Uhr, Thalia Theater, Alstertor 2, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de