Hamburg. Das PHOXXI an den Deichtorhallen präsentiert eine sehenswerte Doppelausstellung. Was Besucher hier erwartet.

Paul Mpagi Sepuya fotografiert Statuen. Also, genau genommen fotografiert der 1982 in Kalifornien geborene, vor allem mit Porträts bekannt gewordene Künstler keine Statuen, aber er arrangiert seine Modelle in der Serie „Model Study“ (2021–22) in klassischen Posen, nackt, muskulös, den Raum definierend. Einer präsentiert seinen Körper auf einem Sockel, einer stützt den Kopf sinnierend in die Handfläche, und einer … Ja, was macht der? Wohnungsputz? Jedenfalls hantiert er mit einem Besen. Und ein weiterer macht ein Selfie. Doch nicht so klassisch, um ehrlich zu sein.

Doppelausstellung im PHOXXI: hochstilisierte Fotografien

Sepuyas hochstilisierte Fotografien bilden den ersten Teil einer Doppelausstellung im PHOXXI, dem Ausweichquartier des Hauses der Photographie vor den Deichtorhallen. Es geht um Fragen der Fotoproduktion, es geht um Konzepte von Herkunft, Sexualität, Gender und Identität. Und es geht auch um Humor, der durchscheint, wenn Sepuya das Pathos seiner Posen durch alltägliche Accessoires bricht.

Zumal er dabei immer auch eine Grundsympathie gegenüber den Porträtierten beweist: Deren Muskeln sind zwar gespannt, als ob man es mit Tänzern zu tun hat, aber nie schmerzhaft, immer in einer ruhenden, bequemen Haltung. Wenn es um Sex geht (und das geht es oft), dann zeigt er intime Szenen von Zweisamkeit, Berührungen, Ausruhen. Von den häufig ins Bild gesetzten Penissen jedenfalls ist nur ein einziger erigiert, und auch das ist nur verschwommen zu sehen.

Alles hier ist voller Links und Querverweise

Das wichtigste Bild der Ausstellung ist für den Künstler „Daylight Studio with Garden Cuttings“ (2022), eine Aufnahme seines Ateliers in Los Angeles, die wie ein Schnappschuss wirkt, dabei aber ganz genau arrangiert ist: Eine afrikanisch anmutende Holzfigur verweist auf seinen afroamerikanischen Hintergrund und das Konzept der „Blackness“, ein fast hinter einem Paravant verschwindender Em­pire-Stuhl fungiert als queeres Zeichen, und in der großen Spiegelwand im Hintergrund erkennt man den Fotoapparat, der just in diesem Augenblick die Aufnahme macht.

Alles hier ist voller Links und Querverweise, und diese Verweise zu entschlüsseln macht mindestens genauso viel Spaß wie der ästhetische Genuss beim Betrachten der wunderschönen Fotografien. Das sind Sepuyas Fotos nämlich auch: hochästhetische Bilder von berührender Intimität.

Installation „Styx

Auf der Empore derweil zeigt die Französin Alix Marie ihre Installation „Styx“. Im Zentrum steht ein Zylinder aus Baumwollfahnen, bedruckt mit Ultraschallbildern, die den menschlichen Körper durchleuchten, in den seitlichen Kabinetten sind Filme zu sehen, in denen die Performerin Nina Boukhrief die Göttin Styx darstellt.

Das ist Styx in der griechischen Mythologie beides: einerseits eine Göttin im Umfeld von Dunkelheit, Nacht und Stärke, andererseits der Fluss, der das Reich der Lebenden und das Jenseits trennt. „Styx ist Fluss und Göttin, Geografie und Körper“, beschreibt Marie ihren Zugang zum Mythos und beweist damit ein ähnliches Kunstverständnis wie Sepuya.

Auch bei Marie bewegt sich die Kunst zwischen Fotografie und Skulptur, vielleicht sogar noch deutlicher, ist die 1989 im französischen Bobigny geborene Künstlerin doch sowohl als Fotografin wie als Bildhauerin ausgebildet. Womöglich fehlt „Styx“ letztlich die mehrschichtige Übercodiertheit von Sepuyas Fotgrafien – als Doppelausstellung an der Grenze der Disziplinen ist die Präsentation überaus lohnend.

Paul Mpagi Sepuya/Alix Marie bis 26. Februar 2023, PHOXXI, Platz vor den Deichtorhallen, Deichtorstraße 1-2, deichtorhallen.de