Hamburg. Der Film scheint eine wohlige Mitte zwischen „Food Porn“ und Reichen-Parodie anzustreben. Doch dann nehmen die dunklen Töne zu.

Niemand mag sie, die Reichen und Privilegierten. Nicht, wenn sie als „Tech-Bros“ ohne jeden Sinn für Manieren auf ihre Überlegenheit pochen. Nicht, wenn sie als Celebrity oder Influencer von allen bewundert werden wollen. Und auch nicht, wenn sie als namenlos zu Geld Gekommene einfach mal 1000 Euro springen lassen, um bei einem Starkoch in dessen exklusivem Restaurant zu essen.

Dass sie allesamt so unsympathisch erscheinen, verdirbt von Anfang an etwas den Appetit an Mark Mylods „The Menu“. Auch wenn man noch gar nicht weiß, worauf der Film hinauslaufen wird.

"The Menu": Gäste sind allesamt eher Klischees als Charaktere

Die Schar der Gäste, die sich zu Beginn des Films mit einem Boot in das erlesene Etablissement von Starkoch Julian Slowik (Ralph Fiennes) bringen lassen, besteht aus den eingangs genannten Figuren, allesamt eher Klischees als Charaktere, ergänzt um Varianten wie die arrogante Kritikerin (Janet McTeer), ein ihr stets beipflichtender Begleiter (Paul Adelstein) und eine Unbekannte (Anya Taylor-Joy aus „Das Damengambit“). Ihr Name, Margot, steht nicht auf der Liste, weil sie von Food-Enthusiast Tyler (Nicholas Hoult) in letzter Minute eingeladen wurde – seine ursprüngliche Begleitung hatte abgesagt.

Dass ihr Kommen nicht unbedingt Zufall ist, zeichnet sich schon in den mehr oder weniger bedeutsamen Blickwechseln ab, die Margot mit Empfangsdame Elsa (Hong Chau) und später mit dem Starkoch tauscht. Oder glauben die nur zu erkennen, dass Margot aus einer anderen Schicht kommt als der Rest?

„The Menu“: Reichen-Parodie oder doch Horrorfilm?

Zu Beginn wähnt man sich noch in einer Satire, die sowohl das eitle Gebaren dieser „one percent“ aufs Korn nimmt als auch die Auswüchse einer Haute Cuisine, die die Frage, ob ein ­Essen schmeckt, für unwürdig erachtet. Mit hochästhetisiertem Ambiente, prominenten Schauspielern und geschliffenen Dialogen scheint der Film eine wohlige Mitte zwischen „Food Porn“ und Reichen-Parodie anzustreben.

Doch bald schon nehmen in „The Menu“ die dunklen Töne zu. Wenn Slowik seinen Gästen die Regeln erklärt, die an diesem Abend gelten sollen, fühlt man sich bereits an gewisse Gruselfilme erinnert, in der es den Mitgliedern einer geschlossenen Gesellschaft nach und nach an den Kragen geht. Und wenn dann einer der ersten Gänge mit einem Akt von geradezu spektakulärer Gewalt beginnt, wächst die Gewissheit, dass man in einem Horrorfilm gelandet ist.

"The Menu" im Kino: Film ist reine Geschmackssache

Aber vielleicht empfindet das nicht jeder Kinobesucher so – es ist Geschmackssache. Regisseur Mark Mylod, dessen Filmographie Serien wie „Game of Thrones“ und „Succession“ umfasst, ist sichtlich davon beeinflusst, wie da in Machtkämpfen zuerst Unbehagen, dann emotionale und schließlich reale Brutalität entsteht.

Aber wo es in den Serien um Fantasy-Reiche oder Medien-Imperien geht, sind die Einsätze hier deutlich niedriger. Da kann der Chefkoch noch so pointierte Ansagen machen, sein Küchenstab ihm noch so adrett in pseudo-militärischem Gehorsam folgen und da können seine einzelnen Gänge noch so raffiniert das Leben und Treiben seiner Gäste reflektieren: Im Mittelpunkt steht ein Menü, das man nicht wirklich essen wollen würde.

„The Menu“ läuft im Studio und in der Astor FilmLounge