Hamburg. Antje Schmidt koordiniert die Online-Strategien am Museum für Kunst und Gewerbe. Ihr geht es darum, Strukturen zu verändern.
Nachhaltigkeit, gerechte Partizipation, Digitalisierung, Zukunftsfähigkeit – Museen stehen vor enormen Herausforderungen. Das Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) will sein Publikum künftig noch mehr an seinen Online-Aktivitäten beteiligen und hat in einem offenen Aufruf interdisziplinäre Teams, sogenannte Fellows, aufgefordert, gemeinsam mit dem Museum Kernfragen in Bezug auf die digitale Sammlung zu adressieren. Antje Schmidt koordiniert die unter dem Titel NEO Collections zusammengefassten Strategien.
Wie kam es zu dieser Idee, und welche Ziele verfolgt das MK&G damit?
Antje Schmidt: Die Ziele von NEO Collections sind, neue Perspektiven auf die digitale Sammlung zu entwickeln und so gerechte Zugänge für unterschiedliche Zielgruppen zu ermöglichen. Für uns als Museum geht es darum, unsere bisherige Museumspraxis zu hinterfragen und die digitale Entwicklung unserer Institution nachhaltig voranzubringen. Es ist nicht unsere Absicht, das nächste tolle digitale Spielzeug zu entwickeln, das in kurzer Zeit überholt ist, sondern Strukturen zu verändern und zu überdenken, wie wir digitale Projekte machen.
Welche Erkenntnisse haben Sie hier bislang erlangt?
Antje Schmidt: Kann man sich mit Objekten anfreunden, indem man mehr über deren aktive Benutzung erfährt? Oder eine engere Verbindung herstellen, wenn man weiß, wohin die Objekte auf der Welt schon gereist sind? Kann ich sehen, was in meiner Stadt gerade sonst in der Museumssammlung angeguckt wird? Darüber hinaus haben wir gelernt, dass es Hürden gibt, wenn wir andere zur Mitgestaltung einladen. Bin ich gemeint? Habe ich genügend Wissen oder Erfahrung, um etwas Relevantes beitragen zu können? Und: Kann ich das leisten, was von mir erwartet wird? Das waren Fragen, die sich einige der Fellows gestellt haben. Wir müssen weiter intensiv daran arbeiten, dass wir unsere Programme so gestalten, dass die Hürden, sich aktiv einzubringen, abgebaut werden.
Welche Erwartungen haben die Besucher und Besucherinnen eines Museums heute an die Sammlung und die Präsentation?
Antje Schmidt: Heutzutage kann man eigentlich nicht mehr von den Besucher/-innen sprechen, da die Besuchsanlässe und -motivationen so unterschiedlich sind und die Erwartungen somit auch. Deswegen haben wir zum Beispiel direkt mit starken Nutzer/-innen unserer Online-Sammlung gesprochen, um zu lernen, was für sie wichtig ist, darunter Forscher, Kreative, Lehrende oder Autoren. Eine Kernfrage, die sich daraus entwickelte, war zum Beispiel, wie Emotionen oder persönliche Erfahrungen dazu dienen können, eine Sammlung zu entdecken. Ein weiterer Ansatz war, wie eigene Ideen und Geschichten eingebracht werden können. Die unterschiedlichen Besucher/-innen möchten wissen: Was hat das mit mir zu tun?
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Und inwieweit wird das Publikum bemerken, dass sich die digitale Transformation bei Ihnen im Haus vollzieht?
Antje Schmidt: Das können ganz kleine Schritte sein, etwa ein Button, der ermöglicht, direkt einen Termin mit einer Kuratorin zu machen oder eine neue Suchfunktion, zum Beispiel nach Frauen als Akteurinnen in der Sammlung. Eine museale Sammlung erhält ihre Bedeutung nicht per se, sondern durch die Interaktion mit und Interpretation durch unterschiedliche Menschen und Gemeinschaften. Wenn sich mehr Menschen eingeladen und gemeint fühlen, die Sammlung nicht nur zu entdecken, sondern deren Bedeutung mitzugestalten, in den Austausch mit uns zu gehen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.