Hamburg. Alexander Klar über spricht über die Angriffe von Klimaaktivisten auf Kunstwerke und wie sein Haus sich gegen Übergriffe schützt.

Tomatensuppe auf einen Van Gogh in London, Kartoffelbrei auf einen Monet in Potsdam, zuletzt eine Attacke auf Vermeers „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ in Den Haag: Klimaaktivistinnen und -aktivisten greifen große Kunstwerke an, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Fragen dazu an Kunsthallen-Direktor Alexander Klar.

Herr Klar, Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagt: „Kunst für den Klimaschutz zu attackieren – das ist aus meiner Sicht definitiv der ganz falsche Weg. Der Schaden ist groß und trifft die Falschen.“ Wie sehen Sie das?

Alexander Klar: Auch wenn der tatsächliche Schaden in meinen Augen bis heute sehr gering ist, leidet natürlich das extrem hohe Sicherheitsbedürfnis der Museen. Bisher haben die Klimaaktivist*innen ja ausschließlich verglaste Bilder mit reversiblen Materialien beschüttet und sich an Zierrahmen oder Wände geklebt. Rahmen dienen auch dem Schutz eines Bildes und die Rückstände des Klebers auf dem Goldgrund lassen sich entfernen. Es ist bisher durch die Aktionen kein Verlust der Ästhetik oder gar der Bildaussage eines Werkes entstanden. Nach meinem Empfinden haben die Aktivist*innen das einkalkuliert und bewusst keinen Schaden angerichtet.

Also alles halb so schlimm?

Alexander Klar: Die Aktivist*innen haben natürlich einen eventuellen Schaden billigend in Kauf genommen. In der Aktion ist ein wichtiger Schutzmechanismus der Kunstwerke überwunden worden, die stillschweigende Übereinkunft der Gesellschaft, Kunstwerke als Zeugnisse unserer Zivilisation nicht anzutasten. Der Bruch dieser Übereinkunft ist das, was die Aktion für Museen so problematisch macht, weil wir de facto niemals in der Lage sein werden, Anschläge auf Bilder zu verhindern und die Aktionen jetzt Nachahmer finden könnten, die weniger zurückhaltend sind, was die Wahl ihrer Mittel anbelangt. Selbst die rigiden Eingangskontrollen in den englischen Museen haben nicht verhindern können, dass die Tomatensuppe auf dem Van Gogh gelandet ist. Und Sekundenkleber könnte man am Museumseingang nicht einmal mit Leibesvisitationen auffinden. Der Tabubruch der Aktionen hat eben in der Tat ein Tabu gebrochen, aber eines, das zur Lebensfähigkeit von Museen beiträgt.

Was tut die Kunsthalle, um ihre Werke zu schützen? Wird oder wurde der Sicherheitsdienst verstärkt?

Alexander Klar: Die Kolleg*innen am Eingang und in den Galerien achten natürlich zur Zeit besonders auf Ungewöhnliches, das auf eine mögliche Aktion hindeutet. Da wir eine größere Zahl an Leihgaben anderer Institutionen oder privater Leihgeber im Hause haben, haben wir auch unseren Sicherheitsdienst noch einmal besonders instruiert und verstärkt.

Tauschen Sie sich mit anderen Museen über mögliche Sicherheitsmaßnahmen aus?

Alexander Klar: Ja, unter den Museen gibt es einen ständigen Austausch über gemachte Erfahrungen ebenso wie über zu ergreifende Maßnahmen.

Gibt es Überlegungen, besonders prominente Werke in der Kunsthalle unter besonderen Schutz zu stellen oder sogar (zeitweise) abzuhängen?

Alexander Klar: Die prominenten Werke der Kunsthalle sind schon immer besonders geschützt, der Sicherheitsstandard des Hauses ist hoch. Und Kunstwerke, die uns leihweise anvertraut wurden, haben wir gegenwärtig besonders im Blick. Abhängen wollen wir nichts.

Glauben Sie, dass es durch die aktuelle Situation schwieriger wird, Leihgaben, z. B. von privaten Sammlern zu bekommen?

Alexander Klar: Das kann sehr gut der Fall sein. Es kann natürlich auch gut sein, dass sich private Sammler gegenwärtig Gedanken machen. Aber wie gesagt, bis heute ist kein Bild irreversibel zu Schaden gekommen, es ist der Tabubruch, der gegenwärtig für nachvollziehbare Aufregung sorgt.