Hamburg. Vier Monate verbringt Franziska Schubert auf der Suche nach spannenden Geschichten an der Elbe. Eine Ecke der Stadt hat sie erschreckt.

Am Hafen stehen und beobachten, wie die Schiffe langsam über die Elbe schippern – das mag Franziska Schubert an Hamburg am liebsten. „Wer hier lebt, kann sich jederzeit den Wind um die Nase wehen lassen und in die Ferne blicken“, sagt die 43-Jährige. Sie selbst hat das in den vergangenen Wochen besonders genossen – denn Franziska Schubert ist Hamburgs Stadtschreiberin 2022.

Vier Monate verbringt die Stipendiatin insgesamt in Hamburg, zieht durch die Stadtteile, veröffentlicht kleine Geschichten auf einem Blog (stadtschreiberin.de) und gibt Lesungen. Als die Bremerin im Juni erfuhr, dass die Jury ihre Kurzgeschichte „In einem Haus“ als besten Text auserkoren hatte, war sie selbst überrascht. „Wir saßen gerade alle zu Hause in Corona-Quarantäne als die Zusage für das Stipendium kam – das war natürlich ein riesiges Highlight.“

Stadtschreiberin von Hamburg: Von Beruf ist sie Schauspielerin

Dabei hat Schubert das Schreiben erst vor einigen Jahren so richtig für sich entdeckt. „Schon als Jugendliche habe ich es zwar versucht, aber gezeigt habe ich die Texte nie jemandem.“ Beruflich hat die Mutter zweier Kinder einen anderen Weg eingeschlagen: Sie ist Schauspielerin.

Nach einem vierjährigem Studium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch hat sie nicht nur am Bremer Theater sondern auch die „Mascha“ in Tschechows „Möwe“ im Deutschen Schauspielhaus gespielt. Auch in zwei „Tatort“-Krimis aus Saarbrücken und aus Bremen hatte Schubert eine Rolle.

Ihre Texte handeln auch von Armut und Leid in Hamburg

„Schauspielern und Schreiben lösen in mir ähnliche Ventile, da habe ich einfacheine Leidenschaft für“, sagt Franziska Schubert, die gerade auch noch einen Bachelor in Sozialer Arbeit absolviert. In ihren Texten möchte sie sich vor allem den Menschen widmen, die in Hamburg eher „am Rand der Gesellschaft“ stehen.

Was bewegt die Hamburgerinnen und Hamburger? Und welche Geschichten haben gerade Menschen in Armut, wie zum Beispiel Obdachlose, zu erzählen? Das sind Fragen, die Schubert sich immer wieder stellt.

Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind groß

Auch den Kontrast zwischen Arm und Reich möchte die Autorin in den Vordergrund rücken. Und ist mit der S-Bahn auf durch ganz Hamburg gefahren, um zu beobachten: Drogenabhängige neben bepackten Touristen rund um den Hauptbahnhof, Prostituierte auf dem Steindamm in St. Georg – und als Gegensatz die Gäste, die in den Cafés in Eppendorf Cappuccini trinken.

„Eine Zeit lang das Treiben auf dem Steindamm zu beobachten war schon erschreckend“, sagt Schubert. „Gerade weil einem dann viel mehr Details auffallen. Da war sehr viel Armut, sehr viele Sorgen, sehr viel Dunkelheit.“

Auch in Övelgönne saß Franziska Schubert an ihrem Blog

Die Orte an denen sie schreibt, sind der Stadtschreiberin vorgegeben. So hat sie schon in Harburg und am Övelgönner Museumshafen Geschichten gesammelt, wo sie im Kontorhaus und auf der alten Hafen-Fähre „Bergedorf“ einen Arbeitsplatz hatte. Untergebracht ist sie für die Zeit in der Seemannsmission in Altona. Vergangene Woche saß sie an ihrem letzten Schreibort in Hamburg: An einem kleinen Stand im Einkaufszentrum CCB in Bergedorf.

Angeleitet wird das Stadtschreiber-Stipendium von Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle – für die Finanzierung kommen die Hamburger Kulturbehörde und die Hamburger Volksbank sowie die Buhck- und die Töpfer-Stiftung auf. Franziska Schubert gibt am Freitag, 21. Oktober, um 15 Uhr eine kostenlose Lesung in der Sternwarte in Bergedorf (Gojenbergsweg 112). Alle Infos unter stadtschreiberin.de