Hamburg. Die ukrainische Pianistin Olena Kushpler lebt in Hamburg: Sie spricht über die Kultur ihres Landes und einen Gewöhnungseffekt.
Olena Kushpler, in Hamburg lebende ukrainische Pianistin, ist die künstlerische Leiterin eines Benefizabends für die Ukraine, bei dem an diesem Freitag in der Elbphilharmonie unter anderen Iris Berben, Burghart Klaußner und Barbara Auer zu erleben sind.
Hamburger Abendblatt: Was erwartet das Publikum bei diesem Benefizabend?
Olena Kushpler: Wir wollen dem Publikum die ukrainische Kultur vorstellen, unsere Dichter, unsere Musik. Da gibt es ein großes Interesse und wir helfen sehr gern dabei, Wissenslücken zu schließen.
Laut Putin ist die Ukraine und auch die ukrainische Kultur ein Teil Russlands ...
Kushpler: Das ist eine absurde Behauptung. Wir haben eine völlig eigenständige Kultur und eine eigene Sprache, die die russische Bevölkerung gar nicht versteht. Allerdings wird unsere Kultur schon seit Jahrhunderten unterdrückt. Es wurde immer schon versucht, unser Volk seiner Identität zu berauben; in der Sowjetunion wurde unsere Sprache verboten, es wurden Schriftstellerinnen und Schriftsteller ins Gefängnis gesteckt oder sogar umgebracht. Wir haben das lange über uns ergehen lassen, aber nach diesem barbarischen Angriff ist das Volk aufgestanden. Es gibt keinen anderen Weg mehr, als sich zu verteidigen.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert nun schon mehr als ein halbes Jahr. Am Anfang waren das Entsetzen und die Hilfsbereitschaft riesengroß. Haben Sie das Gefühl, dass bei den Menschen inzwischen eine Art Gewöhnungseffekt eingesetzt hat?
Kushpler: Ja, wir haben das beobachtet, aber der Krieg geht ja weiter, ist brutaler als je zuvor und wir brauchen weiterhin Hilfe. Um darauf aufmerksam zu machen, gibt es Veranstaltungen wie unsere. Und seien Sie versichert: Unser Volk wird niemals die Teile der Ukraine, die jetzt von Russland okkupiert sind, im Stich lassen, denn das würde bedeuten, unsere Mitbürger dort Gewalt und Vernichtung auszusetzen.
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Ist in Teilen der Ukraine inzwischen wieder ein kulturelles Leben möglich?
Kushpler: Es gab sogar in den ersten Wochen des Krieges Konzerte, allerdings wurden die oft von Sirenenalarm und Aufenthalten im Luftschutzbunker unterbrochen. Wir sind ein sehr musikalisches und generell sehr an Kultur interessiertes Volk. Wir singen zum Beispiel unglaublich gern zusammen. Daran hat sich nichts geändert.
„Ukraine: Leben, lieben, Krieg und Freiheit“ Fr 9.9., 20 Uhr, Elbphilharmonie (Großer Saal), Karten unter elbphilharmonie.de