Hamburg. Das St. Pauli Theater feiert Saisonbeginn mit einem Potpourri des eigenen Programms. Nur ein Kabarettist sucht vergeblich nach Pointen.

Dass es da draußen Leute geben soll, die den Theaterzauber schnöde „eintauschen gegen ein Netflix-Abo“, das mag Ulrich Waller nicht glauben. Der Intendant des St. Pauli Theaters hofft, dass „die Phase der Entfremdung“ möglichst bald vorüber sein möge und macht seinem Publikum dafür ein „Angebot, das Sie nicht ablehnen können“ – traditionell verdichtet in einer Spielzeiteröffnungsgala, die auf das, was läuft, und das, was noch folgt, Lust machen soll. Premieren und Wiederaufnahmen, Konzerte und Kabarettvorstellungen, Theaterstars und Neuentdeckungen. Auch den Auftretenden ist daran gelegen, dass die Reihen sich nicht nur zum Auftakt füllen.

Und die Appetithäppchen sind – in den meisten Fällen jedenfalls – tatsächlich die beste Reklame. Wer die Schauspielerinnen Victoria Fleer und Anneke Schwabe, die am St. Pauli Theater zum Stamm-Ensemble gehören, jeweils solo singen, gurren, schmachten und hauchen hört, wird mehr davon wollen – und kann dies auch: Fleer ist in beiden „Monsieur Claude“-Abenden und in der „Dreigroschenoper“ des Hauses besetzt, in der Schwabe wiederum bald die Polly Peachum spielt.

Theater Hamburg: „Trau keinem, der nicht trinkt!“

Michael Prelle, dem eine kurzweilige Zusammenfassung der „Claude“-Inszenierungen allein anhand der darin gereichten Spirituosen gelingt, gibt seinem Publikum mit W.C. Fields eine Handlungsempfehlung, die auch die Betreiber der hauseigenen Gastronomie freuen dürfte: „Trau keinem, der nicht trinkt!“

Das Ensemble des noch bis zum 18. September laufenden rasanten Sommerstücks „Komödie mit Banküberfall“ schickt den Rock ‘n’ Roll über die Rampe, Anne Weber und das Schauspielerpaar Johanna Christine Gehlen und Sebastian Bezzel geben Kostproben ihres Könnens, und der Disco-Artist Craig Reed macht – in Glitzerdress und an einer ganzen Ladung Hula-Hoop-Reifen – spektakulär schrullige Quer-PR für die Show „Velvet“ am ebenfalls von Waller und Thomas Collien betriebenen Hansa-Theater.

Matthias Deutschmann als Moderator angestellt

Reichlich gute Gründe also, da hat der Chef des Hauses nicht zu viel versprochen, das heimische Sofa sich selbst zu überlassen. Mit einer Ausnahme. Matthias Deutschmann ist als kabarettisierender Moderator des bunten Abends angeheuert. Eine Aufgabe, an der er weitgehend scheitert: „Satire darf alles“, verkündet er an einer Stelle, „das ist aber nicht das Problem: Alle dürfen Satire!“

Er leider auch. Das und die weitere Selbsterkenntnis, dass der Applaus für seine verdrucksten Conférencen es „nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schafft“, gehört zu seinen besten Pointen. Und zu den einzigen. Ansonsten beschränkt sich Deutschmann als selbsternannter „Pausenclown“ auf ein bemüht provokantes Reizvokabelbingo. „Lauterbach“, „Gender“, gelacht wird nur in homöopathischen Dosen. Das ist keine Werbung, das ist ein Warnhinweis.

Theater Hamburg: Tim Fischer ab Dezember wieder da

Wer am Theater Witz und Gefühl sucht, Frivolität und Überwältigung, Wonne, Unterhaltung und (Selbst-)Ironie, der möge sich besser die Vorstellungsdaten notieren für den fabulösen Tim Fischer, der im Dezember wieder als Zarah Leander auf den Brettern stehen wird. Oder für den immer tollen Gustav Peter Wöhler mit seiner Band, der im Januar in der „Dreigroschenoper“ Premiere feiert und auch solo eine absolute Wucht ist. Wer da lieber netflixt, dem ist wirklich nicht zu helfen.

Karten unter www.st-pauli-theater.de