Haseldorf. Die Bestsellerautorin Romy Fölck lebt nah an der Natur und hat ein Faible für düstere Geschichten. Was sie hier schon inspierte.

Wenn sie an ihrem Schreibtisch sitzt und von der Tastatur aufblickt, dann schaut sie weit in den Garten hinein. Ganz am Ende steht eine hölzerne Bank, zwischen zwei kräftigen Kirschbaumstämmen spannt sich eine bunt gestreifte Hängematte vor einem von gelben Teichrosen gefleckten Weiher. Dahinter irgendwo beginnt die Elbmarsch.

„Meine Kreativität, meine Energie ziehe ich aus der Natur“, sagt Romy Fölck und wirkt dabei ganz in sich ruhend. Hier in Haseldorf in der Elbmarsch hat sie ihre neue Heimat gefunden. Hier schreibt sie ihre Bücher, im Frühjahr erschien mit „Nebelopfer“ ihr bereits fünfter Kriminalroman erschienen, erst Mitte August ist „Die Rückkehr der Kraniche“ herausgekommen, kein Kriminalroman, sondern eine Familiengeschichte um vier Frauen aus drei Generationen. Es ist ein Herzensprojekt von Romy Fölck, eines, das über Jahre hinweg in ihr gewachsen sei, wie sie sagt, und eines, in dem die Kraft der Natur eine zentrale Rolle spielt.

Bestseller: Die Schriftstellerin ist selbst ein Dorfkind

Diese Liebe zum Land, zur Natur kommt nicht von ungefähr. Ihre ersten Jahre verbringt Romy Fölck in einem Dorf im Meißener Land. Tiefes Sachsen also. Wohlbehütet ist sie aufgewachsen in jener Dorfgemeinschaft, deren Zusammenhalt groß war, wie sie noch heute betont. „Ja, ich bin ein Dorfkind, ein echtes Landei“, sagt sie und lacht. Der Weg, den sie dann einschlägt, ist der typische für die DDR: Pionier, FDJ, die Mutter ist Deutschlehrerin, auch die junge Romy will Lehrerin werden.

Dann, als sie gerade 15 Jahre alt ist, kommt die Wende, die Welt wird größer und sie wird bunt. „Ich war zwar komplett überfordert“, erzählt sie rückblickend, „aber ich habe auch die Chance erkannt, reisen zu können, auf Konzerte zu gehen.“ Und einen anderen Lebensweg zu wählen. „Wo willst du hin in dieser neuen offenen Welt?“, fragt sie sich damals. Dorthin, wo sie das lernen kann, dem seit früher Jugend ihre Liebe gilt: das Schreiben.

Romy Fölck bricht Studium nach zwei Semestern ab

Es ist das Jahr 1992, Romy Fölck beginnt ein Journalismusstudium in Leipzig. Doch das journalistische Schreiben ist nicht das, was sie will, das merkt sie schnell. „Und Leipzig war kurz nach der Wende eine sehr graue Stadt, die Menschen waren frustriert, viele Lehrkräfte verließen die Uni.“ Richtiges Studieren ist kaum möglich, eine „todunglückliche“ Zeit, wie sie es nennt. Nach zwei Semestern ist Schluss. Etwas Neues muss her.

Das Neue ist nicht nur neu, sondern es ist ganz anders. Romy Fölck beginnt in Dresden ein Jurastudium, macht das zweite Staatsexamen, findet danach einen Job bei der Mercedes Benz Bank in Leipzig. Zehn Jahre macht sie den Job bei der Bank, mit Mitte dreißig ist ihr klar: „Jetzt muss der Absprung her, jetzt muss ich das machen, wovon ich immer geträumt habe, nämlich Schriftstellerin zu sein.“

Romy Fölck zieht wieder in die Natur

Einige Schreibversuche hat es bereits gegeben, drei kurze Dresden-Krimis sind in einem Kleinverlag erschienen. „Alles sehr erfolglos“, wie Romy Fölck heute lapidar anmerkt. Aber sie macht weiter. Und dann kommt noch die Liebe hinzu. Ihren späteren Mann lernt sie am Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig kennen. Ein gutes Omen? Sie muss lächeln. „Wir sind damals von einer Freundin verkuppelt worden.“ Und das erfolgreich.

Romy Fölck zieht zu ihrem Mann nach Norden, aufs Land, heraus aus der Stadt zurück in die Natur, mitten hinein in die Marsch, wo die Welt vor allem grün ist. Etwas später, beim Joggen, kommt sie dann, die Idee für ihren ersten großen Kriminalroman. Ein altes, heruntergekommenes Haus, das an ihrem Laufweg stecht, weckt in ihr die Frage: „Was, wenn hier vor vielen Jahren ein Mord passiert wäre, der bis heute nicht aufgeklärt worden ist?“ Ein Szenario, das Romy Fölck gefällt, die vor allem das Düstere, das Dunkle liebt, das sie in skandinavischen Kriminalromanen findet. Die Elbmarsch scheint ihr dafür ein idealer Ort zu sein. Dann beginnt sie zu schreiben.

„Totenweg“ springt sofort auf „Spiegel“-Bestsellerliste

Ihr Kriminalroman „Totenweg“ erscheint 2018 und springt gleich auf die „Spiegel“-Bestsellerliste. Zehn Wochen lang steht das Buch dort. Heute ist Romy Fölck froh, dass der Erfolg erst relativ spät kam, sie sehe die Dinge jetzt einfach klarer als mit Anfang zwanzig, könne sie besser einordnen. Gelebtes Leben, gemachte Erfahrungen. All das fließt ins Schreiben ein.

Auch Romy Fölcks Vergangenheit, natürlich. In „Mordsand“ etwa, ihrem vierten Kriminalroman. Darin geht es auch um Jugendwerkhöfe in der DDR, teils geschlossene Heime, eine Art Arbeitslager, in denen seit den 1950er-Jahren Jugendliche zu sozialistischen Persönlichkeiten umerzogen werden sollten. „Das Thema brannte mir unter den Nägeln“, sagt Romy Fölck. „Als junges Mädchen dachte ich, in den Heimen da sind alles Kriminelle, so wurde es uns immer erzählt. Aber das stimmte natürlich nicht, wie ich erst viel später erfahren habe. Es waren Jugendliche, die westlich orientiert waren, die Westmusik gehört haben, die sich Punkfrisuren haben schneiden lassen.“

Bestseller: Ost-Vergangenheit findet sich in Büchern wieder

So war es, als das Land noch geteilt war. „Ich bin aber sehr froh, dass ich meine Vergangenheit im Osten hatte, dass ich die DDR damals erlebt habe, so dass ich heute mitreden kann.“ Und immer wieder findet sich etwas davon in den Geschichten, die Romy Fölck schreibt. Hier oben im Norden, in der Elbmarsch, mit dem Blick ins Grüne, in die Natur, die ihr Kraft, Willen und Energie gibt. Und Zufriedenheit.