Hamburg. Zum Saisonstart der plattdeutschen Bühne spielt das langjährige Ensemble-Mitglied erstmals den Klassiker „Dat Hörrohr“.

Wer an diesen Sommertagen U- und S-Bahn fährt, an Bahnhöfen ein- und aus- oder umsteigt, den lächelt mit schöner Regelmäßigkeit von den großen Plakatwänden ein graubärtiger älterer Mann mit einem antiquiert wirkenden Hörrohr an. „Man wird schon ein bisschen größer, freut sich und pfeift schon mal in der Gegend vor sich hin“, sagt Wolfgang Sommer. Er ist der Mann vom Plakat und sieht sich mehrmals täglich, wenn er aus Neuengamme kommend von Bergedorf über Berliner Tor zum Hauptbahnhof und abends wieder zurückfährt.

„Ich bin jetzt in einem Alter, da muss ich das eigentlich nicht mehr haben“, meint der 71 Jahre alte Schauspieler lachend. Doch er ist nun mal als Opa Meiners der Hauptdarsteller in „Dat Hörrohr“, mit dem das Ohnsorg-Theater an diesem Sonntag die neue Spielzeit eröffnet.

Theater Hamburg: Am Ohnsorg kennt man Sommer

Sommer ist am Heidi-Kabel-Platz kein Unbekannter, inzwischen jedoch „nur“ noch Gast. Von 1999 bis Mitte 2017, dem Ende der Ära des Intendanten Christian Seeler, gehörte Wolfgang Sommer als festes Ensemble-Mitglied zum Ohnsorg-Theater. Untätig war der Künstler in der Zwischenzeit keineswegs.

In „Tratsch op de Trepp“, noch so ein Klassiker aus guten alten Ohnsorg-Zeiten, hat Sommer seit der Premiere der Neu-Inszenierung 2015 am Haus und auf Tournee insgesamt mehr als 300-mal den wollüstigen Schlachtermeister Tramsen gegeben. „Das war eine schöne Rolle“, sagt Sommer. Opa Meiners sei ihm aber doch sympathischer. „Den kann man nicht ablehnen“, sagt er sich, als im Vorjahr Seelers Nachfolger Michael Lang anrief. „Außerdem kann ich wieder mit vielen tollen Kollegen zusammenarbeiten, die ich schon lange aus dem Ensemble kenne.“

Beate Kiupel spielt die Schwiegertochter

So gibt in diesem Lustspiel etwa Beate Kiupel seine Schwiegertochter. Mit ihr hatte er schon in Karl Bunjes Schwank „Op Düvels Schuuvkoor“ („Verteufelte Zeiten“) für Lachsalven gesorgt – sie als Magd, er als Knecht. In „Dat Hörrohr“ spinnt sie eine Intrige, um den Hof von Opa Meiners in ihren Besitz zu bringen.

Sommer muss über einen Satz lachen, den sein „lieber Kollege“ Oskar Ketelhut während der mehr als sechswöchigen Proben ihm gegenüber im Scherz geäußert hat: „Wenn du die Opa-Rolle spielst, dann kommt danach nichts mehr…“Doch Sommer hat vor der Aufgabe durchaus Respekt; es sei eine „anspruchsvolle, vielschichtige Rolle“ und Bunjes Lustspiel in einem „ursprünglichen“ Platt geschrieben.

Wolfgang Sommer frisierte Vicky Leandros

Zugute kommt Sommer noch heute, dass er in Neuengamme mit der niederdeutschen Sprache aufgewachsen ist und bereits als Kind in der Vierländer Speeldeel erste Auftritte hatte. Und: Handwerk hat bei ihm doppelten Boden Bevor er ans Ohnsorg-Theater kam, war Wolfgang Sommer mit 22 Jahren Norddeutschlands jüngster Friseurmeister, wurde Färbermeiste in einem feinen Salon am Gänsemarkt, frisierte unter anderem Schlagerstar Vicky Leandros, studierte danach noch Betriebswirtschaft und wechselte erst mit Anfang 40 ins Theaterfach.

Wenn auch nicht ganz: In der Corona-Zwangspause 2020 und 21 hat Sommer seine kreative Ader für die Bildhauerei (wieder-)entdeckt und weiterentwickelt. Bevorzugt mit Holz, daraus entstehen dann Skulpturen. In diesem Jahr habe er aus Teilen eines abgebrannten Bauernhauses in Neuengamme vielschichtige Arbeiten geschaffen und diese dann an der Altengamme Kirche ausgestellt, erzählt er.

Theater Hamburg: "Dat Hörrohr“ im Oktober abgespielt

Seine Werkstatt hat er sowohl in seinem Haus in Neuengamme als auch an einem exotischen Ort: Auf der kleinen Kapverden-Insel Maio (7000 Einwohner) vor Westafrika hat Sommer mit seiner Ehefrau Peggy sein zweites Zuhause und neue Freunde gefunden. Mit einem Fischer fährt er oft auf den Atlantik und fängt Thunfisch oder Goldmakrelen. Seine Prüfung zum kapverdischen Fischer hat er abgelegt.

Wenn „Dat Hörrohr“ Anfang Oktober am Heidi-Kabel-Platz abgespielt ist, ist für Sommer alias Opa Meiners noch lange nicht Schluss. Auf den Multikünstler und seine Kollegen warten noch 13 plattdeutsche Abstecher zwischen Flensburg und Aurich sowie bis Mitte Januar eine Deutschland-Tournee mit bundesweit 35 Terminen. „In fast 20 Jahren Ohnsorg lernt man eine Menge Orte kennen!“ Der Schauspieler freut sich aufs Neue darauf, obwohl die nächste Reise auf die Kapverden nun bis Februar warten muss.

„Dat Hörrohr“ Premiere So 28.8., 19.30, dann 30.8.-4.10., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 29,12 bis 37,-: T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de