Hamburg. Ohne die Hits geht nichts – aber auch die aktuellen Songs der Hannoveraner werden von 7000 Fans auf dem Großmarktgelände gefeiert.
Als die Handy-Lampen tausendfach leuchten, scheint für einen Moment Harry Potter aus dem benachbarten Mehr-Theater den Zauberstab zu schwingen. Das so öde Gelände am Großmarkt mit Lkws, Hallen und Dixie-Klos gleicht einem Lichtermeer. „Danke Hamburg“ ruft Sänger Kai Wingenfelder ein letztes Mal – Finale eines großartigen Konzerts. Zwei Stunden begeisterte Fury in the Slaughterhouse am Freitag 7000 Fans.
Als sich die Band 1987 in Hannover gründete, hieß der deutsche Kanzler Helmut Kohl und Ronald Reagan regierte die USA. 35 Jahre später zählt Fury in the Slaughterhouse noch immer zu den besten deutschen Live-Acts. Dabei schien 2008 alles vorbei. Die Band trennte sich nach ständigem Streit um die musikalische Ausrichtung.
Fury in the Slaughterhouse: Der Neuzugang macht sich bezahlt
Das Comeback 2017 mit einer Tour vor insgesamt 130.000 Fans war, das darf man heute sagen, ein Glücksfall für die Musikszene. Natürlich spielen Wingenfelder & Co weiter ihre größten Hits wie „Time to Wonder“, „Trapped Today, Trapped Tomorrow“ oder „Radio Orchid“ – alles andere wäre auch Verrat an ihrem Stammpublikum, das sich nach dem Soundtrack ihrer Jugend sehnt.
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Aber die Arrangements wirken noch ausgefeilter – auch dank des Neuzugangs Martin Huch, der nicht nur die Pedal-Steel-Gitarre famos beherrscht. Zwischendurch darf es bei „Now“, Titelsong ihres 2021 erschienenem Studio-Albums, sogar etwas Reggae sein. Da macht es nichts, dass Gitarrist Christof Stein-Schneider, geplagt durch eine hartnäckige Erkältung, hörbar mit seiner Stimme kämpft.
Fury in the Slaughterhouse: Dank gilt dem Publikum – und der Crew
Und doch überlässt die Band ihm die Dankesrede. Stein-Schneider bedankt sich namentlich bei jedem Mitglied der Fury-Crew – vom Tontechniker über die Roadies bis zum Lkw-Fahrer: „Ihr habt dieses Konzert erst möglich gemacht.“ Das Publikum spendet großen Applaus – und übernimmt einen Teil des Zugabeblocks selbst. Als die letzten Klänge von „Time to Wonder“ verhallen, singen die Fans weiter, bis die Band auf die Bühne zurückkommt und in den Refrain wieder einsteigt.
2023 will Fury in Slaughterhouse auf noch mehr Open-Air-Konzerte setzen. Angesichts der drohenden Corona-Welle in der kalten Jahreszeit wohl eine ziemlich gute Idee. Und dann? „Seit 2017 machen wir nach dem Swingerclub-Prinzip weiter: Alles kann, nichts muss“, sagt Kai Wingenfelder gern. 2025 werde man sich „in die Augen schauen“, um zu entscheiden, ob man Schluss macht. Er möchte nicht wie Mick Jagger noch mit 75 wie ein Berufsjugendlicher über die Bühne hüpfen. Andererseits ist 2027 ja auch nicht mehr wirklich fern. Eine Tour zum 40. Jahrestag der Gründung sollte doch machbar sein.