Hamburg. Der Regisseur wurde mit “Das Boot“ weltberühmt und drehte viele Hollywood-Blockbuster. Von sich selbst sprach er immer als Hamburger.
„Der Lotse geht von Bord“, heißt eine bekannte Karikatur aus dem Jahr 1890 von John Tenniel, die auf die Abdankung von Otto von Bismarck als Reichskanzler abzielt. Auch der deutsche Film hat jetzt gerade Chefpersonal von der Brücke gehen lassen müssen. Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Wolfgang Petersen ist bereits am vergangenen Freitag im Alter von 81 Jahren gestorben, wie jetzt bekannt wurde. Weltruhm erlangte er mit seiner Verfilmung von Lothar-Günther Buchheims Roman „Das Boot“.
Petersen, der die meiste Zeit seines Lebens in Kalifornien verbrachte, war eigentlich ein echtes Nordlicht. In den USA vermisste er die klare Luft, den weiten Himmel und die heimische Küche, vor allem Krabben. Geboren in Emden, ging er später am Johanneum in Hamburg zur Schule und drehte dort erste Filme.
Wolfgang Petersen erregte mit dem "Tatort: Reifezeugnis" großes Aufsehen
Dann führte ihn sein Weg zum Jungen Theater (heute: Ernst-Deutsch-Theater), wo er als Schauspieler und Regieassistent von Friedrich Schütter reüssierte, den er immer nur Fiete nannte. Er studierte danach an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, weil ihn ein Dokumentarfilm über Schnecken so begeistert hatte.
Großes Aufsehen erregte er mit seiner TV-Regiearbeit „Tatort: Reifezeugnis“ mit Nastassja Kinski in der Hauptrolle. Danach drehte er den Film „Die Konsequenz“, in dem es um das Thema Homosexualität ging. Es folgte ein Skandal: Der Bayerische Rundfunk schaltete sich aus der Erstausstrahlung aus, weil man im Süden der Republik der Meinung war, das Thema sei nicht für das bajuwarische Publikum geeignet.
"Das Boot" wurde in den USA zum Kassenschlager – inklusive Neuverfilmung
Seinen „Konsequenz“-Hauptdarsteller Jürgen Prochnow nahm Petersen mit in sein nächstes Projekt: „Das Boot“ nach dem Buch von Lothar-Günther Buchheim. Die 32 Millionen DM teure Großproduktion avancierte vor allem in den USA zum Kassenschlager. Aber auch in Deutschland kamen mehr als drei Millionen Zuschauer in die Kinos.
Das U-Boot-Drama wurde international zu einem der bekanntesten deutschen Filme und sammelte insgesamt 15 Oscar-Nominierungen ein. Mittlerweile existieren vom „Boot“ auch ein Director’s Cut sowie eine TV-Serie. Sky brachte 2018 eine Neuverfilmung als Serie auf den Markt. Motto: „Die Legende kehrt zurück.“
Nach "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" zog es Petersen nach Hollywood
Nicht ganz so erfolgreich, obwohl auch sehr teuer, wurde Petersens Michael-Ende-Verfilmung „Die unendliche Geschichte“. Danach zog es den Regisseur nach Hollywood. Er schaffte es in dem nicht gerade nach ausländische Regisseuren dürstenden Land, Blockbuster auf die Beine zu stellen. „In the Line of Fire – Die zweite Chance“, der Pandemie-Thriller „Outbreak – Lautlose Killer”, „Air Force One” und „Troja” zählten zu den Höhepunkten.
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Mit „Outbreak“ kam er 1995 zur Europapremiere nach Hamburg ins Streit’s Kino und brachte seine Stars Dustin Hoffman und Donald Sutherland mit. Nach der Premiere des Katastrophenfilms „Poseidon“ gab er 2006 zu, schon in der Schule leidenschaftlich gern Schiffeversenken gespielt zu haben. 2016 versuchte er ein Comeback auf dem deutschen Markt mit dem Remake des Klassikers „Vier gegen die Bank“. Als er den Film dann in Hamburg vorstellte, betrachte er entgeistert die Scharfschützen auf den Balkonen seines Hotels, die dort wegen des zeitgleich stattfindenden G20-Gipfels postiert waren.
Sein Traumprojekt konnte Wolfgang Petersen nicht mehr verwirklichen
Einer von Petersens Lieblingsfilmen war der Western „Zwölf Uhr mittags“, den er für die „New York Times“ noch einmal rezensierte. „Da bin ich total abgehoben, denn dadurch kamen Action und Emotionen hinzu. Damit war ich der Sache verfallen“, sagte er dem Abendblatt. Dabei sah er die Branche durchaus kritisch: „Wenn es um viel Geld und Macht geht, sind alle irgendwie ähnlich. Die Moral geht schnell den Bach runter, und Ethik ist da auch nicht viel. Komisch ist nur, dass die Filme, die wir drehen, inhaltlich ein Appell an Ethik und Moral sind.“
Als man beim Filmfestival in Emden den Sohn der Stadt im Jahr 2001 mit einer eigenen Filmreihe ehrte, fühlte er sich zwar gebauchpinselt, sagte aber verschmitzt: „Ich hoffe, dass hier noch einmal eine Hommage läuft mit dem Titel: „Wolfgang Petersen – das Spätwerk.“ Dazu ist es nicht mehr gekommen. Auch sein Traumprojekt hat er leider nicht mehr realisieren können. Er wollte gern noch ein Film über den Polarforscher Ernest Shackleton drehen, dem es gelang, nach einem Schiffbruch durch eine abenteuerliche Aktion seine Crew zu retten. Dabei hatte er schon mit Russell Crowe und Mel Gibson über die Hauptrolle verhandelt.
Mit Clint Eastwood drehte Wolfgang Petersen seinen "Türöffner"
Einer von Petersens Lieblingsschauspielern war Clint Eastwood. Er hat ihn als „zurückgezogen, groß, mysteriös und nicht gerade gesellig“ beschrieben, als er für das Hamburger Abendblatt über ihn anlässlich dessen 85. Geburtstags sprach. Petersen war mit seiner Frau 1987 gerade in den USA angekommen. Arnold Schwarzenegger hatte ihm damals sein Haus in Santa Monica zur Verfügung gestellt und es gab eine Party, zu der auch Eastwood kam. „Er war sehr zurückhaltend“, erinnerte sich der Regisseur. Als der dann das Drehbuch zu „In the Line of Fire“ bekam, sagte er zu Petersen: „Lass es uns doch einfach machen!“.
Es geht darin um einen Personenschützer, der den US-Präsidenten vor Schlimmen bewahren soll. „Eastwood wollte gern, dass jemand von außen einen Blick auf dieses sehr amerikanische Thema wirft. Außerdem hatte ihm ,Das Boot’ sehr gut gefallen. Der Film war für mich in den USA der Türöffner.“ Vorher hatte man Petersen noch gewarnt: „Der Typ hat schon so viele Filme gedreht. Pass bloß auf, das er dir nicht dauernd sagt, was du machen sollst!“
Das Arbeiten mit Eastwood sei dann aber sehr entspannt gewesen. Er bezeichnete ihn als Star mit einer „eigenen Aura“. „Er hat mir für meinen ersten großen Hollywood-Film eine Menge gegeben. Es war ein leichter Einstieg mit einem Superstar. Das habe ich ihm nie vergessen.“
Wolfgang Petersen sagte über sich: "Ich bin immer noch Hamburger"
Und was ist mit Deutschland? „Ich versuche viel mitzubekommen und habe immer noch einen amerikanischen Pass und einen deutschen. Ich bin immer noch Hamburger, spreche diesen Akzent, mein Sohn lebt hier.“ Dass er leidenschaftlicher HSV-Fan war, hat ihn darüber hinaus bis zuletzt tief mit dieser Stadt verbunden.