Buxtehude. In einem ehemaligen Damenmodegeschäft lädt der Hamburger Klassik-PR-Agent Hasko Witte zu Konzerten. Er sieht viel Potenzial.
Der Hausherr legt den Kopf in den Nacken. „Aha, den Bogen hat der Schmied noch nicht abgebaut“, murmelt er. Etwas einsam ragt das gusseiserne Teil aus der Fassade des Fachwerkhauses. Früher hing genau dort ein Schild mit der Aufschrift „Die Gamasche“ – so der Name eines Geschäfts für Damenmode.
Seit vergangenem Herbst wandelt sich der ehemalige Laden zu einem Veranstaltungsort der besonderen Art: Hasko Witte, ein Tausendsassa im Bereich PR für klassische Musiker, hat sein Büro aus der Schanze ins Zentrum der Puppenstuben-Hansestadt Buxtehude verlegt. Und da das Geschäft nun mal einen Ladenbereich hat und ein Schaufenster mit Blick aufs Fleth, ist es beim Büro nicht geblieben. „Die kleine Fleth-Philharmonie“ steht auf der Scheibe. Das Aushängeschild dazu ist fertig, es muss nur noch geliefert werden.
Am 26. August beginnt Wittes ganz persönliche Saison mit einem Konzert des lettischen Trio Fabel. Allein bis Oktober hat er vier weitere Konzerte terminiert. Die Website ist fertig, die Programmübersicht mitsamt Logo gedruckt, den Vertrieb für die 36 Plätze macht Witte im direkten Kontakt mit seinen Kunden. Die Akustik hat er nachjustieren lassen, die fand er beim Eröffnungskonzert noch zu knallig. Anfang August wurden Stoffbahnen an die Wände montiert.
"Fleth-Philharmonie“ in Buxtehude: Witte brennt für seinen Beruf
Witte überlässt nichts dem Zufall. Bei ihm sitzt jeder Handgriff, jede Idee hat Hand und Fuß, jeder Gedanke beruht auf seiner Erfahrung in der Klassikbranche. Lange Jahre hat er für das Label Edel in Neumühlen gearbeitet, seit 2016 ist er selbstständig. Sein Profil: Er bringt Konzertveranstalter, Agenturen und Plattenlabels an einen Tisch, um Aufnahmen und Konzerttourneen zu konzipieren und zu koordinieren. Auf der Liste seiner Klienten stehen so klingende Namen wie die des Pianisten Matthias Kirschnereit, der Klarinettistin Sharon Kam und ihres Kollegen David Orlowsky.
Schon lange organisiert Witte, wenn eine CD erscheint, gerne Releasekonzerte an kleinen Orten mit persönlicher Atmosphäre. „Die Künstler lieben das! Da geht’s nicht um die Gage, sondern um die Live-Präsentation“, sagt er. „Als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich von einer Fabriketage in der Speicherstadt geträumt, mit einem Raum für Konzerte. Das kann man nicht bezahlen. Aber es ist mir nicht aus dem Kopf gegangen.“
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Trotzdem dachte er erstmal nur ans Büro, als er einmal durch Buxtehude lief und den Zettel „Ladenfläche zu vermieten“ sah. „Im Schaufenster wollte ich nicht sitzen beim Arbeiten“, erzählt er. Aber er ließ es sich trotzdem zeigen. Als er den hinteren Raum sah, das frühere Lager, war klar, der würde sein Büro. „Und dann muss man vorne einen Flügel hinstellen!“
Ein Konzertflügel im Schaufenster lockt Besucher an
Das ist wahrscheinlich Wittes Betriebsgeheimnis: Er brennt für seinen Beruf, er liebt, was er tut. „Ich werde mit meiner kleinen Fleth-Philharmonie kein Geld verdienen. Das ist klar. Das Geld verdiene ich da hinten“, sagt er, grinst und zeigt mit dem Daumen hinter sich in Richtung Büro. „Aber ich möchte in Buxtehude etwas zum kulturellen Leben beitragen. Ich habe so ein Gastgeber-Gen. Ich möchte, dass da ganz viele Menschen hinkommen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und die Spaß an der Musik und am Raum haben, ich möchte die bewirten. Ich möchte einfach, dass da Leben ist.“
Seit November steht der Flügel im Schaufenster und zieht die Blicke auf sich. Witte hat ihn von der Klangmanufaktur gemietet, es ist ein restaurierter Steinway von 1906. Ein Rennpferd habe Ragna Schirmer ihn genannt. Die renommierte Pianistin hat das Eröffnungskonzert der Fleth-Philharmonie gespielt.
Selbst an diesem stillen Sonntagvormittag gehen regelmäßig Passanten vorbei. Oft bleiben sie stehen, wenn sie das Instrument sehen. „Buxtehude ist eine sehr lebendige Stadt“, schwärmt Witte. „Hier wohnen viele Leute, die bei Airbus arbeiten, viele Franzosen. Es gibt viele inhabergeführte Geschäfte. Und viel Potenzial für Kultur.“ Bei aller Bescheidenheit leuchtet dann doch ein wenig Stolz durch, als er von einer Mail berichtet, die er nach der Eröffnung bekam: „Da schrieb mir jemand: Auf so ein Format hat Buxtehude gewartet.“